Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Film (Seite 2 von 2)

Agnes’ neue Welt

Vieles erinnert an einen französischen Spielfilm, den es mal im Kino gab.
Aber der hier ist wahr:

http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/lebenslinien/lebenslinien-128.html
43 Minuten.

Wie eine Frau das Grobe, Autoritäre und Herzlose ihrer Kindheit hinter sich lässt und sich ein Leben in Fülle aufbaut. Hut ab! Einiges ist mir zu eso, doch das stört mich hier gar nicht. Es passt. Das Wort Achtsamkeit passt hier, absolut.

Einiges am eigenen Leben fällt einem da ein. War auch eine, der der harte Ton und das einander nicht Zuhören zuhause nicht gefiel und die ebenfalls rasch auszog. Was sie dann aber geschafft hat, übersteigt bei weitem das, was ich jemals hingekriegt habe. Ich habe tiefen Respekt: eine Riesen-Lebensleistung. Aber nicht wie man viel Kohle scheffelt und andere ausschmiert, sondern wie man mit der Gemeinschaft ein innerlich reiches Leben führt.

Der Trailer für Schnellgucker zur Einstimmung:


(Der leider zu viel aus BR-Eigenwerbung besteht, knurr)
 

 

Kein Ding draus

1.: Die Realität:

Die Chefin: “Wolf?”

Der Chef: “O je …”

Die Chefin: “Bist du beschäftigt?”

Der Chef: “Und wenn nicht, dann bin ich’s jetzt?”

Die Chefin: “Najaa …”

Der Chef: “Schwer beschäftigt!”

Die Chefin: “Deine YouTübchen haben einen Pause-Button. Brot ist alle. Obst, Tomaten, Waschpulver, Frühstückssachen, dein Deo, Klopapier.”

Der Chef: “War’s das?”

Die Chefin: “Von deinen Widerworten kommen die Sachen auch nicht von selber dahergelaufen.”

Der Chef: “Ich kann so nicht arbeiten.”

Die Chefin: “Indem du dir die Einkaufsbeutel schnappst und da rausgehst, schon. Bis später, Beutelwolf.”

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2.: Die Filmvorlage:

Aus: P.S. I Love You, 2007:

Als Leprechaun verkleideter Briefbote mit Luftballons an der Haustür: “Sind Sie Holly Kennedy?”

Holly Kennedy: “Singen Sie mir dann was vor?”

Briefbote: “Ja!”

Holly: (aalglatte Wendung) “Nein, die bin ich nicht.”

Briefbote: “Machen Sie jetzt bitte kein Ding draus. Ich soll singen und einen Brief abgeben.”

Holly: “Einen Brief? Was sollen Sie singen?”

Briefbote: “‘Yah Mo B There‘.”

Holly: (versucht eine Win-win-Situation) “Ohh, bitte nicht. Geben Sie den Brief her.”

Briefbote: (händigt den Brief aus) “Wenn das jemand petzt, dann …”

Holly: “Wer — die Koboldgewerkschaft?”

Briefbote: (langsam ernstlich genervt) “Ich hab zusammen mit Al Pacino in einem Off-Broadway-Stück gespielt, ich hab das hier nicht nötig. — (Zeigt auf seine Luftballons) Wollen Sie die?”

Holly: “Nein.”

Briefbote: (grob) “Auch gut!” (Verschwindet hinter der zugeknallten Tür.)

~~~\~~~~~~~/~~~

3.: Das Original:

Aus dokumentarischen Gründen, damit wir für diese Woche wieder was Kulturelles geleistet haben, folgt derselbe Dialog im Originalwortlaut. Die eigentliche Leistung ist, dass ich das dahingenuschelte Lied dingfest machen konnte. Einer muss es machen:

Leprechaun: “Are you Holly Kennedy?”

Holly Kennedy: “If I am, will you sing at me?”

Leprechaun: “Yes.”

Holly: “No, I’m not.”

Leprechaun: “Please, don’t make this an issue. I gotta sing and deliver a letter.”

Holly: “A letter? What’s the song?”

Leprechaun: “‘Yah Mo B There‘.”

Holly: “Oh, please don’t, just give me the letter.”

Leprechaun: “I could get reported!”

Holly: “By who? The leprechaun union?”

Leprechaun: “You know, I was in an off-Broadway play with Al goddamn Pacino, I don’t need this shit. — Want the balloons?”

Holly: “No.”

Leprechaun: “Fine!”

Der Soundtrack zu einem Dialog aus diesem Film fällt leicht: Die denkbar hanebüchene Rom-Com wird zu einem guten Teil von den ganzen Pogues-Liedern gerettet. Die Handlung läuft ohnehin auf nichts anderes als den Moment zu, wo schon mal das Nachspannlied einsetzt und punktgenau synchron zu einem besonders romantischen Moment endlich das Schlagzeug um die Ecke biegt: Flogging Molly: If I Ever Leave This World Alive, ach.

Don’t Look Now

Update zu Undressed to Shower. The Hollywood Küchenmesser Massacre. Liebe, Tod und Marli Renfros Füße in Schokosirup:

The Man Who Wasn't There, film poster 1983

The Man Who Wasn’t There, 1983.

 

The Man Who Wasn't There, film poster 2001

The Man Who Wasn’t There, 2001.

 

The Man Without a Past, film poster 2002

Der Mann ohne Vergangenheit, 2002.

 

Body of Lies, film poster 2008

Der Mann, der niemals lebte, 2008.

“Don’t Look Now”: Die Vögelsequenz aus dem gleichnamigen Film, der auf Deutsch sinnloserweise “Wenn die Gondeln Trauer tragen” heißt, hab ich lange Zeit für die beste der Filmgeschichte gehalten, wegen der gegenläufigen Schnitttechnik nämlich, ehrlich – und bin damit in illustrer Gesellschaft (“We cannot see humping. We cannot see the rise and fall between thighs. […] technically speaking, there was no ‘humping’ in that scene.” Nicolas Roeg, Regisseur). Trotzdem oder deswegen muss man von Deutschland aus ganz schön kramen, bis man eine technisch halbwegs brauchbare Version davon findet. Soweit ich mich an Sexualität erinnere, haben diese drei Minuten allerhand mit dem zu tun, was man so treibt, wenn zufällig mal kein Kameramann zuschaut, der sein Regiedebüt dreht. Deshalb, meine lieben minderjährigen Weblogleser: Weg die Mausepfoten, ja? Wie das geht, kriegt ihr noch beizeiten genug spitz, und ich weiß heute selber, dass Vögelsequenzen nicht in Filme gehören: Wenn in einem Film ein Hemd aufgeknöpft oder das Haarband aus einem Zopf geschüttelt wird, hat das gefälligst als Chiffre zu genügen. Da muss kein unbefugter Sadist von Regisseur seine zahlenden Zuschauer noch weiter damit foltern, was sie alles im Leben verpassen. Aber Julie Christie konnte man 1973 noch ganz gut anschauen (“People didn’t do scenes like that in those days.”) Schönes Wochenende.

Von Lindau bis zum Fehmarnsund kennt man mich als Schäferhund

Das findet sich bei Lissy Laricchia Elle, die in Kanada offenbar viel Zeit damit verbringt, feenhafte Fotos von sich selbst zu schießen, und stammt von Charles Michael Palahniuk, der 1996 Fight Club geschrieben hat. Der Saint-Exupérismus der Neuzeit geht verschlungene Wege: Die frühen Carpe-diem-Ritter ließen wenigstens noch implizit die Vermutung zu, dass sie selber nicht ohne Fehl waren.

Wo doch Verantwortungslosigkeit so sexy ist! Lebt wild und gefährlich, Kinder! Schaut euch euren alten Onkel Wolf an! Gerade gestern erst wieder vor der dritten DVD-Folge M*A*S*H weggepennt! Und wenn ihr mich heute sucht, lieg ich auf dem Bett! Dem ungemachten! Mit dem Titan! Historisch-kritisch!

Soundtrack: The Pixies: Where Is My Mind?, aus: Fight Club, 1999.

Des Fahrers Wunderhorn: F.S.K.: Diesel Oktoberfest aus: The Sound of Music, 1993;
in: Franz Dobler (i.e. der schnauzige Großstadtcowboy mit Tollwut, dem Jahrhundertsampler mit Johnny-Cash-Covers deutscher Kapellen sowie allerhand Country-Fachliteratur und Fressehau-Belletristik):
Wo Ist Zu Hause Mama, Trikont, 1995.
Musik: Justin Hoffmann, Thomas Meinecke, Michaela Melián, Carl Oesterhelt, Wilfried Petzi;
Text: Thomas Meinecke.

Undressed to Shower. The Hollywood Küchenmesser Massacre. Liebe, Tod und Marli Renfros Füße in Schokosirup.

“Mother, she’s just a stranger”! As if men don’t desire strangers! As if… ohh, I refuse to speak of disgusting things, because they disgust me! You understand, boy? Go on, go tell her she’ll not be appeasing her ugly appetite with MY food… or my son! Or do I have to tell her because you don’t have the guts! Huh, boy? You have the guts, boy?

Norma Bates (†).

Like I said… the mother… Now to understand it the way I understood it, hearing it from the mother… that is, from the mother half of Norman’s mind… you have to go back ten years, to the time when Norman murdered his mother and her lover. Now he was already dangerously disturbed, had been ever since his father died. His mother was a clinging, demanding woman, and for years the two of them lived as if there was no one else in the world. Then she met a man… and it seemed to Norman that she ‘threw him over’ for this man. Now that pushed him over the line and he killed ’em both. Matricide is probably the most unbearable crime of all… most unbearable to the son who commits it. So he had to erase the crime, at least in his own mind. He stole her corpse. A weighted coffin was buried. He hid the body in the fruit cellar. Even treated it to keep it as well as it would keep. And that still wasn’t enough. She was there! But she was a corpse. So he began to think and speak for her, give her half his time, so to speak. At times he could be both personalities, carry on conversations. At other times, the mother half took over completely. Now he was never all Norman, but he was often only mother. And because he was so pathologically jealous of her, he assumed that she was jealous of him. Therefore, if he felt a strong attraction to any other woman, the mother side of him would go wild. When he met your sister, he was touched by her… aroused by her. He wanted her. That set off the ‘jealous mother’ and ‘mother killed the girl’! Now after the murder, Norman returned as if from a deep sleep. And like a dutiful son, covered up all traces of the crime he was convinced his mother had committed.

Did he kill my sister?

Yes and no.

Dr. Fred Richmond erklärt Norma(n) Bates.

Pünktlich zu diesen 45 Sekunden hat mein Vater mich immer Bier holen geschickt. Große Teile meiner Medienkompetenz entstanden nach 1980 im Anschluss an Kulenkampff, Lottozahlen, Tagesschau und Wort zum Sonntag, und zuverlässig wie Sissi zu Weihnachten kam zum Jahrestag im Juni Psycho. Von 1960 ist das Ding und deshalb, liebe Kinder, am 16. Juni 50 geworden.

Dabei war das Blut, das so malerisch ins Abflussloch der Dusche strudelt, nicht einmal Heinz Ketchup, wie man in einer großen Hollywood-Produktion erwarten darf, sondern schnöder Schokoladensirup, hoffentlich wenigstens Hershey’s. Das war möglich, weil Hitchcock in Schwarz-Weiß drehte. Nicht wegen der Ketchuppreise, sondern wegen der Zensur. Trotz allem Gemetzel in Großaufnahme wurde sorgfältig um alle offenen Stichwundern herumgefilmt, für den Sound wurde eine türkische Melone vielfach erdolcht. Anthony Perkins weilte an den Drehtagen zur Theaterprobe in New York, unter der Dusche stand nicht einmal die Hauptdarstellerin Janet Leigh, sondern ein etwas knubbelzehiges, immerhin naturrothaariges Nacktmodell namens Marli Renfro. Dafür hat sich Hitchcock für das wichtigste Close-up der Filmgeschichte ein zwei Meter großes Modell eines Duschkopfes bauen lassen. Janet Leigh wurde mit verschiedenen Anfertigungen der ausgestopften Mutter erschreckt. Die Scheuche, bei der sie am lautesten kreischte, kam in den Film.

Die Duschszene umfasst 70 Kameraeinstellungen für 55 Filmsekunden. Jedenfalls wenn man am Anfang Norman/Mutters Anschleichen durch den Duschvorhang reinrechnet, nicht aber am Schluss das überlang durchgehaltene Standbild von dem gebrochenen Auge, das wieder, o Perfidie der Drehbuchführung, dem somit hinausgeschriebenen Star Janet Leigh gehört.

Zählen Sie nächstes Mal ruhig die Einstellungen mit: Die haben eine ganze Woche Schneidetechnik gekostet. Manche Zelluloidschnipsel daraus waren gerade fünf Einzelbilder auf einer Fingerspanne lang und wurden einst in einem Paramount-Ausverkauf für absurde Summen versteigert. Nicht zu ergoogeln war, ob in einer Horrorauktion die Schnipsel mit Fräulein Renfros schokoladenumwaberten Platschflossen im Angebot oder die teuersten waren.

Das eigentlich Grausige an Psycho ist aber nicht der dann doch nicht ganz zensurkonforme Splatter in der Duschszene, sondern dass dieselbe schon im ersten Drittel stattfindet. Eine Hauptfigur einführen und vor der Zeit niedermessern, um mit einem verdrucksten Gimpel als Identifikationsmuster weiterzumachen und uns mitten in der Handlung auf die Schurkenseite zu zerren, das durfte danach erst wieder das Schreibbüro Stephen King. Wenn Hitchcock nicht sofort nach Erscheinen der Buchvorlage von Robert Bloch alle Rechte samt der gedruckten Erstauflage aufgekauft hätte, damit niemand weiß, wie’s ausgeht, hätten wir heute, man mag es bedauern oder nicht, weder das Texas Chainsaw Massacre noch Das Schweigen der Lämmer. Und ohne Anthony Perkins als stieläugiger Motelspanner weder James Stewart mit dem Feldstecher am Fenster zum Hof (siehe auch: Antiheld als gehandicappter Detektiv in eigener Sache) noch den hinterkünftig putzigen Vergewaltiger in Frenzy (siehe auch: sonderbare Rothaarige; gezoomte Standbilder von Leichenaugen).

Das Zweitgrausigste ist das, was man gar nicht merkt, weil es im Unterbewusstsein spielt: Der Film fängt mit einem Beischlaf an, steigert sich über einen Diebstahl zum Mord und endet in gemeingefährlichem Wahnsinn, und das in einem Motel, das Freuds Triebmodell ins House by the Railroad von Edward Hopper eingebaut hat: Im ersten Stock wohnt das Über-Ich in Gestalt der toten Mutter, im Keller das Es In Gestalt von Norman Bates’ perverser Freizeitbeschäftigung. Und was Freud von Bildern nackter Frauen in prekären Situationen im sexuellen Element Wasser hält, können Sie sich ausrechnen. Psycho gilt deswegen als genrestiftend für den, erraten, Psychothriller. Da sieht man nämlich, wie unterforderte Selbstständige enden.

Paramount fand das alles geschmacklos, vor allem weil Senator McCarthy und das reale Vorbild für Robert Bloch noch lebten: Ein gewisser Ed Gein sammelte abgeschnittene Nasen, Gliedmaßen und Geschlechtsteile von selbst getöteten und illegal exhumierten Frauen, deren Herzen bei seiner Festnahme in der Küche herumlagen, bastelte gern Masken aus Gesichtshaut und starb erst 1984 im wohlverdienten Knast; außerdem schrieb man 1960 und drehte gefälligst, Zensur hin oder her, seine Psychoschocker in Farbe. Da finanzierte Hitchcock sein Herzensprojekt eben alleine.

Zum Erfolg maßen die Schlangen vor Autokinos am ersten Wochenende drei Meilen, keine Dreiviertelstunde später rannten McCarthy-behütete Wohlstandstöchter entsetzt mit der Autotür knallend wieder raus. Ohne Eintrittserstattung und Liegesitze. Später am Abend wurde allein geduscht. Oder gar nicht.

Trotzdem gehörte es sich nicht, einen ehrbaren Filmregisseur am Wendepunkt seines Schaffens und der Filmdramaturgie damit zu behelligen, dass amerikanische Töchter nach dem Bierholen jetzt auch noch das Duschen verweigerten. Hitchcock empfahl: “Geben Sie Ihre Tochter in die Reinigung”, ein vollständiger Director’s Cut wurde dennoch bis heute nie freigegeben.

Erst wollte Hitchcock die musikalische Untermalung zum Duschen stumm schalten, ließ sich dann aber von seinem Komponisten zu dem monotonalen Streichersatz breitschlagen, der die Messerstiche nachahmt. Wenn man den durch die Zähne pfeift, kann man heute noch kleine Kinder damit erschrecken, die vor dem Bierholen noch lange genug durch den Spalt in der Wohnzimmertür Marli Renfro beim Nacktdoubeln zu Streicher- und Melonensounds beobachten konnten.

Noch ein Rat aus eigener Erfahrung an Kinder in Entwicklung ihrer Medienkompetenz:

Wie ein geistesgestörter Motelbetreiber heimlich durch Wandlöcher zu schmulen macht weder euren mitternächtlichen Abstieg in den Bierkeller noch das Verständnis von Hitchcocks dramaturgischen Maulschellen leichter. Und verstehen sollte man sie, man gewinnt sonst nicht das Herz, genau hinzuschauen; das Hirn bildet sich sowieso erst nach eurem Grundkurs Dramatisches Gestalten, glaubt mir.

Fangt deshalb zum Eingewöhnen erst mal mit dem Fenster zum Hof an: Der ist noch freudianischer, dabei unfreiwillig und freiwillig komischer, außerdem in Farbe, weshalb es ordentliches Heinz Ketchup statt Hershey’s Schokoschmodder gibt, Grace Kelly hat viel schmuckere Füße als Marli Renfro, und der Mord kommt mit dem schwülstigen Orchester-Soundtrack um Klassen harmloser daher, dafür so unvermittelt, dass Papa euch nicht mehr rechtzeitig rausschmeißen kann. Den Psycho-Epigonen Dressed to Kill (Brian de Palma 1980) guckt ihr bitte wirklich erst, wenn ihr charakterlich gefestigt seid; der liebe Onkel Wolf weiß schon, wovon er redet. Aber von mir habt ihr das nicht, ja?

Bestimmt auch wieder nur zuschandengeschnippelt und übermorgen aus Copyrightrücksichten aus YouTube entfernt: Die Duschszene aus Psycho, 1960.

Fachliteratur zu Edelsplatter und wichtigem Trash bei Final Girl!

Im Jahre hundertvier

An einem bestimmten Punkt im Leben ist Schluss, da sollte der Mensch sich aus der Gefangenschaft der Kneipen befreit haben, die er bis dahin für seine Freiheit hielt. Ab sofort verbringt der Mensch deshalb seine Samstagabende statt in Elfriede’s Schlauchtränke in einem Kellerraum, in dem die Heizung mit Ajax geputzt wurde, und darf endlich mal ausreden, solange er mit “Ich bin der Karlheinz und Alkoholiker” anfängt. Dort wird er endlich einmal gelobt, was er bei seiner Freundin und nachmaligen Frau so nie erlebt hat, weswegen er in der Wochen zwier</i > (Luther) bei Elfriede seinen Leistungsgedanken im Saufen demonstrieren ging, worin die gute Elfriede ihn immer nur bestärkte. Gelobt wird er dafür, dass er das Ajax gerochen hat, weil er offensichlich schon viel weniger raucht, was ja auch so eine Sucht ist, und stand “Sucht” im alten Rom nicht für “Gefangenschaft”? Nicht? Auch egal, gelobt ist gelobt.

Der Vorteil: Das ist gar kein Abend, sondern eineinhalb Stunden, das hat erst Walt Disney als abendfüllend hingestellt, siehe Schneewittchen 1937, die erste belegte abendfüllende 2D-Animation, nach verschiedenen Quellen 83 bis 87 Minuten, wahrscheinlich je nachdem, wie viele Büchereikunden, die es gar nicht mehr bis zu Elfriede schafften, schon ihre Bierflaschen auf der DVD abgestellt haben — was uns auch lehrt, dass Schneewittchen gerade mal zwei Jahre jünger als mein Vater ist, aber mindestens fünfzig Jahre besser aussieht, und die Amis ihre Weihnachtsblockbuster früher erst drei Tage vor Weihnachten gelauncht haben, aber ob man die 83 bis 87 Minuten meinen Vater oder Schneewittchen anschaut, macht nur in der Pixelauflösung, aber nicht in der Tränenauflösung einen Unterschied; und heute, wo die Geschichten alle sind und der offizielle Vorfilm zu Schneewittchen sein eigener Blockbuster geworden ist, müssen sie fast zeitgleich mit den Lebkuchen anfangen.

Der Nachteil: Bis dahin sollte der Mensch seine künstlerische Produktion abgeschlossen haben. Das ist wie mit dem vorehelichen Sex: Nein, danach kommt nichts mehr. Da können Sie meinen Vater fragen, aber der ist ja auch noch verheiratet und säuft.

Wo wir gerade so traulich vom Saufen, Rauchen und Poppen reden: Am 27. November 1826 erfand John Walker das Streichholz.

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