Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Der Kunde, das unbekannte Wesen (Seite 2 von 3)

Haben Sie gut hergefunden?

Aus aktuellem Anlass diese lustige Geschichte nochmal. Denn der öffentliche Nahverkehr hat sich immer noch nicht geändert. Er ist eher noch schlechter geworden: Man kommt jetzt garantiert nimmer am gleichen Tag heim …

Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion “Öffentlicher Nahverkehr im ländlichen Raum” im verstörenden Lichte des Klimawandels.

 

Ein Grafikdesigner und das Zahlen mit richtigem Geld.
Du hältst deinen Platz an der Bar wie ein richtiger Held.
Die ganze Welt gegen einen, das ist nicht fair.
Die rettende Kavallerie, die kommt heut nicht mehr.

Element of Crime, 1999.

“Haben Sie gut hergefunden?” fragt mich der Kunde als Ice-Breaker, wie er es aus “Smalltalk für Manager” gelernt hat.

“Aber ja, sofort! Der einzige Taxifahrer am Bahnhof hat sich geweigert, aber hinterm Sägewerk kommt ja nicht mehr viel”, verkneife ich mir. Laut antworte ich ein klares, uneingeschränktes: “Ja”, wie ich es aus “Leitfaden für Beziehungsgespräche” gelernt habe.

In der ersten Stunde verfehle ich mein Gesprächsziel, dem Kunden von seinem angedachten Firmennamen “Wurstberaterei” abzuraten. Nach zwei weiteren Stunden, die ich nicht mehr berechnen kann, ist deshalb schon Sense; über den Rest senkt sich der Mantel der Diskretion über einige unerfreuliche Betriebsgeheimnisse. Die des Kunden.

Mein Exkunde in spe arbeitet, wo andere Urlaub machen: in einem Handy-Funkloch. Ein Telefongespräch wollte ich ihm nicht mehr aufhalsen. Die Bushaltestelle belehrt mich, dass wir uns hier in der Rufbus-Region Mangfalltal oder Leitzachtal oder Murnau-Land oder irgend sowas befinden. Das heißt, dass man den Bus persönlich anrufen muss, mit dem man fahren will.

Die für den Landkreis zuständige Gaststätte hab ich schon mal gesehen: in einer frühen Kurzgeschichte von Heinrich Böll. Am Stammtisch schweigt sich eine Runde glasäugiger Austragsbauern an, weil man so früh am Tag noch nicht schafkopfen kann und bis dahin saufen muss. Wenn sie geredet hätten, wären sie bei meinem Eintritt verstummt. Beim Hinsetzen versuche ich die Stille so wenig wie möglich zu stören. Sollte ich hier jemals lebendig wieder rauskommen, werde ich das Thema des Abends sein: “Wos wor denn des heint fir oana?” Die Bedienung mistet hinten den Kuhstall aus und kommt hoffentlich zur vollen Stunde den Bauern Bier und Birngeist nachfüllen.

Praktischerweise war es gerade kurz nach halb. Die Bedienung stutzt, hat aber in ihrer Weltläufigkeit schon mal jemanden gesehen, der ein Vorstellungsgespräch bei meinem Kunden hatte. Und sie war so ziemlich die einzige, die ihn je gesehen hat.

“A Hoibe und telefoniern?” fragt sie.

Ich nicke beeindruckt.

“Telefon is do hint”, sagt sie, hat schon mit Bierzapfen angefangen und zeigt mit dem Kinn in den Flur hinaus, wo ein handgeschnitzter und -gemalter Wegweiser “Pissoir/Scheißhäusl” grüßt.

Es gibt tatsächlich noch Telefone mit Wählscheibe. Und sie funktionieren! Die Nummer vom Rufbus klebt am Telefontischchen, seit der mit dem Vorstellungsgespräch hier eingekehrt ist. Muss doch schon länger her sein.

“???!” meldet sich der Rufbus.

“Grüß Gott”, versuche ich, “fahren Sie heut noch?”

“Freilich!!” bellt jemand (ich versuche hier eine grobe Simultanübersetzung), “wann wollen Sie denn fahren!!”

“Wär’s Ihnen recht um…” – ein Blick zu dem Bierfassdeckel mit Uhrzeigern über der Pissoir/Scheißhäusltür – “um sechse?”

“Wird schon wie gehen”, mault der andere und legt auf. Woher ich anrufe, schien ihm keine Frage zu sein, woher soll man in Funklöchern schon anrufen, gell.

Vor lauter Empathie in die Bedürfnisse eines Rufbusunternehmers habe ich dessen Zeitfenster zur Anreise spontan etwas großzügig berechnet, denn als die Bedienung ihre Fünf-Uhr-Runde macht, kassiert sie nacheinander ihre Bauern ab.

“Jaaaaaaa…”, will einer von ihnen zahnlos widersprechen.

“Nix ja, Wiggerl!” streichelt sie ihm über die Steppe seines Gelöcks, “woaßt eh, dass heint Samstag is. I wui aa no ind’Stoodt eine nachant!”

“Nacha brauch ma nimma hockableim bis aufs Kartn?”

Offenbar ist das eine Gehirnregion, die bei Wiggerl noch anspricht. “Nein neinzge kriagidi na von dir”, nutzt die Bedienung seinen lichten Moment aus. Nachdem er quälende Minuten lang in seinem Ledergeldbeutel herumgekratscht hat, lässt er’s auf zehn Euro aufgehen. Zu mir kommt sie zuletzt. Auch bei mir kommt sie auf neun Euro neunzig, das ortsübliche Trinkgeldgebaren habe ich schon verinnerlicht.

Das gibt mir eine Stunde Zeit, mich ohne Verzehrzwang dort umzutun, wo andere Urlaub machen. Ganz hinten auf der Wiese gegenüber dem Gasthaus, schon fast im dichten Tann, scheißt eine alleinstehende Kuh einen neuen Fladen für ihre Sammlung. Damit sind die Freizeitmöglichkeiten erschöpft. So wie ich.

Fast pünktlich höre ich an der Rufbushaltestelle ein fernes Röcheln. Ein gut erhaltener VW-Bus keucht um den Hügel. Gerade als die Bedienung geschminkt und aufgedirndlt aus der Gasthaustür stöckelt, ohne ihren fremden Gast (mich) noch einmal zu grüßen, die Haustür mit einem gusseisernen Schlüssel zusperrt, in einen rostigen Ascona steigt und davonröhrt, hält der VW-Bus vor meinen Schuhkappen.

“Was ist jetzt?” kläfft der Fahrer duch die geöffnete Tür, ich steige ein. “Zum Bahnhof”, sage ich. “Bitte.”

“Ja, eh.”

Das Dorf, das hinter den schlammverspritzten Scheiben vorbeizuckelt, hat es schon lange nicht mehr nötig, sich an “Unser Dorf hat Zukunft” zu beteiligen. Eine Kirche mit Zwiebelturm, modernisierte Bauernhöfe, zu Eigenheimen ausgebaute Bauernhöfe, stillgelegte Bauernhöfe, der maßgebliche Arbeitgeber: das Sägewerk. Die Volkshochschule versucht seit Jahren, Bert Hellinger für einen Vortrag zu gewinnen, doch nicht einmal er nutzt die Chance für eine Familienaufstellung. Zum ersten Mal verstehe ich ihn, denn wir hatten einen Grund, die Agentur innerhalb einer Postleitzahl zu eröffnen, die mit 80 anfängt.

Dahinter Wiesen, dahinter Wald. Da, wo andere Urlaub machen, weil hier noch keine Stadt und keine Alpen mehr sind. Die Züge fahren hoffentlich bis nach 20 Uhr – die in Richtung München. Der Fahrer versieht seinen Job nur unter Protest und erkennt deshalb keine Not, Fahrgeld von mir zu verlangen. Auf einer Lichtung, aber ich kann mich täuschen in der Dämmerung, äst ein Hase. Wäre nicht das Geweih, ich hätte geschworen, er hat Reißzähne.

Soundtrack: Element of Crime: Kavallerie, aus: Psycho, 1999.

Haben Sie gut hergefunden?

Aus aktuellem Anlass diese lustige Geschichte nochmal. Denn der öffentliche Nahverkehr hat sich immer noch nicht geändert. Er ist eher noch schlechter geworden:  Man kommt jetzt garantiert nimmer am gleichen Tag heim …

Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion “Öffentlicher Nahverkehr im ländlichen Raum” im verstörenden Lichte des Klimawandels.

 

Ein Grafikdesigner und das Zahlen mit richtigem Geld.
Du hältst deinen Platz an der Bar wie ein richtiger Held.
Die ganze Welt gegen einen, das ist nicht fair.
Die rettende Kavallerie, die kommt heut nicht mehr.

Element of Crime, 1999.

“Haben Sie gut hergefunden?” fragt mich der Kunde als Ice-Breaker, wie er es aus “Smalltalk für Manager” gelernt hat.

“Aber ja, sofort! Der einzige Taxifahrer am Bahnhof hat sich geweigert, aber hinterm Sägewerk kommt ja nicht mehr viel”, verkneife ich mir. Laut antworte ich ein klares, uneingeschränktes: “Ja”, wie ich es aus “Leitfaden für Beziehungsgespräche” gelernt habe.

In der ersten Stunde verfehle ich mein Gesprächsziel, dem Kunden von seinem angedachten Firmennamen “Wurstberaterei” abzuraten. Nach zwei weiteren Stunden, die ich nicht mehr berechnen kann, ist deshalb schon Sense; über den Rest senkt sich der Mantel der Diskretion über einige unerfreuliche Betriebsgeheimnisse. Die des Kunden.

Mein Exkunde in spe arbeitet, wo andere Urlaub machen: in einem Handy-Funkloch. Ein Telefongespräch wollte ich ihm nicht mehr aufhalsen. Die Bushaltestelle belehrt mich, dass wir uns hier in der Rufbus-Region Mangfalltal oder Leitzachtal oder Murnau-Land oder irgend sowas befinden. Das heißt, dass man den Bus persönlich anrufen muss, mit dem man fahren will.

Die für den Landkreis zuständige Gaststätte hab ich schon mal gesehen: in einer frühen Kurzgeschichte von Heinrich Böll. Am Stammtisch schweigt sich eine Runde glasäugiger Austragsbauern an, weil man so früh am Tag noch nicht schafkopfen kann und bis dahin saufen muss. Wenn sie geredet hätten, wären sie bei meinem Eintritt verstummt. Beim Hinsetzen versuche ich die Stille so wenig wie möglich zu stören. Sollte ich hier jemals lebendig wieder rauskommen, werde ich das Thema des Abends sein: “Wos wor denn des heint fir oana?” Die Bedienung mistet hinten den Kuhstall aus und kommt hoffentlich zur vollen Stunde den Bauern Bier und Birngeist nachfüllen.

Praktischerweise war es gerade kurz nach halb. Die Bedienung stutzt, hat aber in ihrer Weltläufigkeit schon mal jemanden gesehen, der ein Vorstellungsgespräch bei meinem Kunden hatte. Und sie war so ziemlich die einzige, die ihn je gesehen hat.

“A Hoibe und telefoniern?” fragt sie.

Ich nicke beeindruckt.

“Telefon is do hint”, sagt sie, hat schon mit Bierzapfen angefangen und zeigt mit dem Kinn in den Flur hinaus, wo ein handgeschnitzter und -gemalter Wegweiser “Pissoir/Scheißhäusl” grüßt.

Es gibt tatsächlich noch Telefone mit Wählscheibe. Und sie funktionieren! Die Nummer vom Rufbus klebt am Telefontischchen, seit der mit dem Vorstellungsgespräch hier eingekehrt ist. Muss doch schon länger her sein.

“???!” meldet sich der Rufbus.

“Grüß Gott”, versuche ich, “fahren Sie heut noch?”

“Freilich!!” bellt jemand (ich versuche hier eine grobe Simultanübersetzung), “wann wollen Sie denn fahren!!”

“Wär’s Ihnen recht um…” – ein Blick zu dem Bierfassdeckel mit Uhrzeigern über der Pissoir/Scheißhäusltür – “um sechse?”

“Wird schon wie gehen”, mault der andere und legt auf. Woher ich anrufe, schien ihm keine Frage zu sein, woher soll man in Funklöchern schon anrufen, gell.

Vor lauter Empathie in die Bedürfnisse eines Rufbusunternehmers habe ich dessen Zeitfenster zur Anreise spontan etwas großzügig berechnet, denn als die Bedienung ihre Fünf-Uhr-Runde macht, kassiert sie nacheinander ihre Bauern ab.

“Jaaaaaaa…”, will einer von ihnen zahnlos widersprechen.

“Nix ja, Wiggerl!” streichelt sie ihm über die Steppe seines Gelöcks, “woaßt eh, dass heint Samstag is. I wui aa no ind’Stoodt eine nachant!”

“Nacha brauch ma nimma hockableim bis aufs Kartn?”

Offenbar ist das eine Gehirnregion, die bei Wiggerl noch anspricht. “Nein neinzge kriagidi na von dir”, nutzt die Bedienung seinen lichten Moment aus. Nachdem er quälende Minuten lang in seinem Ledergeldbeutel herumgekratscht hat, lässt er’s auf zehn Euro aufgehen. Zu mir kommt sie zuletzt. Auch bei mir kommt sie auf neun Euro neunzig, das ortsübliche Trinkgeldgebaren habe ich schon verinnerlicht.

Das gibt mir eine Stunde Zeit, mich ohne Verzehrzwang dort umzutun, wo andere Urlaub machen. Ganz hinten auf der Wiese gegenüber dem Gasthaus, schon fast im dichten Tann, scheißt eine alleinstehende Kuh einen neuen Fladen für ihre Sammlung. Damit sind die Freizeitmöglichkeiten erschöpft. So wie ich.

Fast pünktlich höre ich an der Rufbushaltestelle ein fernes Röcheln. Ein gut erhaltener VW-Bus keucht um den Hügel. Gerade als die Bedienung geschminkt und aufgedirndlt aus der Gasthaustür stöckelt, ohne ihren fremden Gast (mich) noch einmal zu grüßen, die Haustür mit einem gusseisernen Schlüssel zusperrt, in einen rostigen Ascona steigt und davonröhrt, hält der VW-Bus vor meinen Schuhkappen.

“Was ist jetzt?” kläfft der Fahrer duch die geöffnete Tür, ich steige ein. “Zum Bahnhof”, sage ich. “Bitte.”

“Ja, eh.”

Das Dorf, das hinter den schlammverspritzten Scheiben vorbeizuckelt, hat es schon lange nicht mehr nötig, sich an “Unser Dorf hat Zukunft” zu beteiligen. Eine Kirche mit Zwiebelturm, modernisierte Bauernhöfe, zu Eigenheimen ausgebaute Bauernhöfe, stillgelegte Bauernhöfe, der maßgebliche Arbeitgeber: das Sägewerk. Die Volkshochschule versucht seit Jahren, Bert Hellinger für einen Vortrag zu gewinnen, doch nicht einmal er nutzt die Chance für eine Familienaufstellung. Zum ersten Mal verstehe ich ihn, denn wir hatten einen Grund, die Agentur innerhalb einer Postleitzahl zu eröffnen, die mit 80 anfängt.

Dahinter Wiesen, dahinter Wald. Da, wo andere Urlaub machen, weil hier noch keine Stadt und keine Alpen mehr sind. Die Züge fahren hoffentlich bis nach 20 Uhr – die in Richtung München. Der Fahrer versieht seinen Job nur unter Protest und erkennt deshalb keine Not, Fahrgeld von mir zu verlangen. Auf einer Lichtung, aber ich kann mich täuschen in der Dämmerung, äst ein Hase. Wäre nicht das Geweih, ich hätte geschworen, er hat Reißzähne.

Soundtrack: Element of Crime: Kavallerie, aus: Psycho, 1999.

Sollen wir uns erst mal bei Ihnen treffen?

Ein Grafikdesigner und das Zahlen mit richtigem Geld.
Du hältst deinen Platz an der Bar wie ein richtiger Held.
Die ganze Welt gegen einen, das ist nicht fair.
Die rettende Kavallerie, die kommt heut nicht mehr.

Element of Crime, 1999.

"Haben Sie gut hergefunden?" fragt mich der Kunde als Ice-Breaker, wie er es aus "Smalltalk für Manager" gelernt hat.

"Aber ja, sofort! Der einzige Taxifahrer am Bahnhof hat sich geweigert, aber hinterm Sägewerk kommt ja nicht mehr viel", verkneife ich mir. Laut antworte ich ein klares, uneingeschränktes: "Ja", wie ich es aus "Leitfaden für Beziehungsgespräche" gelernt habe.

In der ersten Stunde verfehle ich mein Gesprächsziel, dem Kunden von seinem angedachten Firmennamen "Wurstberaterei" abzuraten. Nach zwei weiteren Stunden, die ich nicht mehr berechnen kann, ist deshalb schon Sense; über den Rest senkt sich der Mantel der Diskretion über einige unerfreuliche Betriebsgeheimnisse. Die des Kunden.

Mein Exkunde in spe arbeitet, wo andere Urlaub machen: in einem Handy-Funkloch. Ein Telefongespräch wollte ich ihm nicht mehr aufhalsen. Die Bushaltestelle belehrt mich, dass wir uns hier in der Rufbus-Region Mangfalltal oder Leitzachtal oder Murnau-Land oder irgend sowas befinden. Das heißt, dass man den Bus persönlich anrufen muss, mit dem man fahren will.

Die für den Landkreis zuständige Gaststätte hab ich schon mal gesehen: in einer frühen Kurzgeschichte von Heinrich Böll. Am Stammtisch schweigt sich eine Runde glasäugiger Austragsbauern an, weil man so früh am Tag noch nicht schafkopfen kann und bis dahin saufen muss. Wenn sie geredet hätten, wären sie bei meinem Eintritt verstummt. Beim Hinsetzen versuche ich die Stille so wenig wie möglich zu stören. Sollte ich hier jemals lebendig wieder rauskommen, werde ich das Thema des Abends sein: "Wos wor denn des heint fir oana?" Die Bedienung mistet hinten den Kuhstall aus und kommt hoffentlich zur vollen Stunde den Bauern Bier und Birngeist nachfüllen.

Praktischerweise war es gerade kurz vor dreiviertel. Die Bedienung stutzt, hat aber in ihrer Weltläufigkeit schon mal jemanden gesehen, der ein Vorstellungsgespräch bei meinem Kunden hatte. Und sie war so ziemlich die einzige, die ihn je gesehen hat.

"A Hoibe und telefoniern?" schaltet sie schnell.

Ich nicke beeindruckt.

"Telefon is do hint", sagt sie, hat schon mit Bierzapfen angefangen und zeigt mit dem Kinn in den Flur hinaus, wo ein handgeschnitzter und -gemalter Wegweiser "Pissoir/Scheißhäusl" grüßt.

Es gibt tatsächlich noch Telefone mit Wählscheibe. Und sie funktionieren! Die Nummer vom Rufbus klebt am Telefontischchen, seit der mit dem Vorstellungsgespräch hier eingekehrt ist. Muss doch schon länger her sein.

"???!" meldet sich der Rufbus.

"Grüß Gott", versuche ich, "fahren Sie heut noch?"

"Freilich!!" bellt jemand (ich versuche hier eine grobe Simultanübersetzung), "wann wollen Sie denn fahren!!"

"Wär's Ihnen recht um…" – ein Blick zu dem Bierfassdeckel mit Uhrzeigern über der Pissoir/Scheißhäusltür – "um sechse?"

"Wird schon wie gehen", mault der andere und legt auf. Woher ich anrufe, schien ihm keine Frage zu sein, woher soll man in Funklöchern schon anrufen, gell.

Vor lauter Empathie in die Bedürfnisse eines Rufbusunternehmers habe ich dessen Zeitfenster zur Anreise spontan etwas großzügig berechnet, denn als die Bedienung ihre Fünf-Uhr-Runde macht, kassiert sie nacheinander ihre Bauern ab.

"Jaaaaaaa…", will einer von ihnen zahnlos widersprechen.

"Nix ja, Wiggerl!" streichelt sie ihm über die Steppe seines Gelöcks, "woaßt eh, dass heint Samstag is. I wui aa no ind'Stoodt eine, nachant!"

"Nacha brauch ma nimma hockableim bis aufs Kartn?"

Offenbar ist das eine Gehirnregion, die bei Wiggerl noch anspricht. "Nein neinzge kriagidi na von dir", nutzt die Bedienung seinen lichten Moment aus. Nachdem er quälende Minuten lang in seinem Ledergeldbeutel herumgekratscht hat, lässt er's auf zehn Euro aufgehen. Zu mir kommt sie zuletzt. Auch bei mir kommt sie auf neun Euro neunzig, das ortsübliche Trinkgeldgebaren habe ich schon verinnerlicht.

Das gibt mir eine Stunde Zeit, mich ohne Verzehrzwang dort umzutun, wo andere Urlaub machen. Ganz hinten auf der Wiese gegenüber dem Gasthaus, schon fast im dichten Tann, scheißt eine alleinstehende Kuh einen neuen Fladen für ihre Sammlung. Damit sind die Freizeitmöglichkeiten erschöpft. So wie ich.

Fast pünktlich höre ich an der Rufbushaltestelle ein fernes Röcheln. Ein noch gut erhaltener VW-Bus keucht um den Hügel. Gerade als die Bedienung geschminkt und aufgedirndlt aus der Gasthaustür stöckelt, ohne ihren fremden Gast (mich) noch einmal zu grüßen, die Haustür mit einem gusseisernen Schlüssel zusperrt, in einen rostigen Ascona steigt und davonröhrt, hält der VW-Bus vor meinen Schuhkappen.

"Was ist jetzt?" kläfft der Fahrer duch die geöffnete Tür, ich steige ein. "Zum Bahnhof", sage ich. "Bitte."

"Ja, eh."

Das Dorf, das hinter den schlammverspritzten Scheiben vorbeizuckelt, hat es schon lange nicht mehr nötig, sich an "Unser Dorf hat Zukunft" zu beteiligen. Eine Kirche mit Zwiebelturm, modernisierte Bauernhöfe, zu Eigenheimen ausgebaute Bauernhöfe, stillgelegte Bauernhöfe, der maßgebliche Arbeitgeber: das Sägewerk. Die Volkshochschule versucht seit Jahren, Bert Hellinger für einen Vortrag zu gewinnen, doch nicht einmal er nutzt die Chance für eine Familienaufstellung. Zum ersten Mal verstehe ich ihn, denn wir hatten einen Grund, die Agentur innerhalb einer Postleitzahl zu eröffnen, die mit 80 anfängt.

Dahinter Wiesen, dahinter Wald. Da, wo andere Urlaub machen, weil hier noch keine Stadt und keine Alpen mehr sind. Die Züge fahren hoffentlich bis nach 20 Uhr – die in Richtung München. Der Fahrer versieht seinen Job nur unter Protest und erkennt deshalb keine Not, Fahrgeld von mir zu verlangen. Auf einer Lichtung, aber ich kann mich täuschen in der Dämmerung, äst ein Hase. Wäre nicht das Geweih, ich hätte geschworen, er hat Reißzähne.

Soundtrack: Element of Crime: Kavallerie, aus: Psycho, 1999:

Altmodisch und froh drum

Warum ich schon seit längerem wieder dahin zurückkehre, was einst als gute Form des Geschäftemachens galt: mit dem direkten persönlichen Gegenüber sprechen (Nein, nix Telefon, ich seh den ja dann nicht).

Die Zeiten des schnellen Online-Austausches haben selbst in einem so beratungsintensiven Bereich wie dem Grafikdesign einen Kundentyp hervorgebracht, den man vorher kaum zu Gesichte kriegte, der sich aber jetzt ameisenhaft vermehrt: den ungeduldigen Pauschal-Preistouristen.

Erkennungsmerkmal 1:
Er ist faul und will wenig Information über sich preisgeben, die Agentur soll aber zu seinem lückenhaften, oft widersprüchlichen Briefing bereits Preise abgeben. Kein Preisangebot aber ohne Treffen.

Ich trenne mittlerweile recht gut die Spreu vom Weizen und erkenne den Preistouristen, der gar nicht unbedingt an einer unmittelbaren Briefing-Zusammenarbeit interessiert ist, aber erstmal wie in einem Supermarkt Preisangebote sammeln will (für was auch immer) an seiner Reaktion: Auf den Vorschlag, sich doch mal persönlich zusammenzusetzen, um das zu besprechen.

Erkennungsmerkmal 2, weiche Version:
Er meldet sich daraufhin nicht mehr.

Erkennungsmerkmal 2, harte Version:
Er beschimpft einen. Schriftlich. Per E-Mail.

Auch nicht schlecht.

Die modernen digitalen Zeiten – und das (vor)schnelle Wort ist leider schnell auf E-Mail.

Leider dann unwiderruflich. Wie menschenfreundlich waren doch papierene Briefe. Das Schreiben ging langsam und man konnte sich in dieser Zeitspanne bis zum Zukleben mit der teuren, schönen Sondermarke noch gut überlegen, ob man damit wirklich zum Postkasten will. Ich kenne den Effekt des zu schnell gedrückten Buttons, aber meine Preistouristen eben nicht. Denn sie haben wenig Übung im digitalen Coolbleiben. Ich aber schon, denn ich betreibe seit über 2 Jahren ein Blog und kommentiere in Blogs. Diese neue Kulturtechnik stählt und bringt einem auf die harte Tour bei (learning by doing und die harten Reaktionen anderer darauf), die schnelle Taste im Zaum zu halten und durchaus fundierte Kritik, aber keine justitiablen Beleidigungen zu posten. Wer also als Geschäftsmensch keine Übung im digitalen Austausch und seinen Tücken hat, sollte lieber zum Papierbrief greifen.

Mit Überzeugung in diesem Bereich gelernter Blogger und gleichzeitig erfrischend altmodisch:
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Professor Dueck erklärt die Welt. Anhand IBM und überhaupt.

Duecks Farbenlehre: Blau, orange, gelb. Ein Gelber ist ein Tekkie/Kreativer, der muss nicht noch mehr motiviert werden, um mit Hingabe einfach gut zu sein, sonst ist er beleidigt. Ein Blauer ist einer, der die Sicherheit der übersichtlichen Hierarchie braucht. Und ein Oranger ist einer, der glaubt, siegen zu müssen und dem jedes Mittel Recht ist, zu bescheißen.

Welche Farbe herrscht heutzutage vor? Welche Farbe lebst du?

Hier der Link zu Duecks Vortragsfilm:
"Über Firmenkulturen und für mehr Kundennähe"

Zitat Prof. Dr. Gunter Dueck
Chief Technologist, IBM Global Technology Services
Germany:

Der Schluss ist aber am besten, sagen Leute, die dabei waren. Ich hätte ja
lieber, die Leute würden sich die ernsten Messages merken – DIE sind die
Höhepunkte, nicht die Pointen!

Wie wahr.
Bitte etwas Zeit mitbringen und: bei mir hat der Film nicht gestreamt wie versprochen, ich musste ihn mir komplett runterladen. Vielleicht ist das ja bei den guten alten IBM Thinkpads anders :-) Und immer die Dauerpfote am Lautsprecherregler haben, denn Barbara Schöneberger spricht laut, Dueck wieder um einiges leiser. Ist bestimmt auch wieder so ein Trick von ihm, dem Listigen, dass man die Ohren spitzen muss.

Have fun. Alles andere als eine lame duck.
Ich geb’s zu, ich bin ein Fan.

Absage.doc II . Anmerkungen zum erhaltenen Briefing zum Corporate-Redesign einer Meta-Plattform

Sehr geehrte Frau xxx und an
alle Mitglieder der Jury,
 
erlauben Sie uns vier Anmerkungen:
 
1. Es fehlt das geistige
Dachmarkenkonzept, bevor mit Design losgelegt wird.
 
So aber kann nie ein sauberes Design entstehen, das
den Wirrwarr der Scout-Plattformen klar verbindet, gleichzeitig die zarten
Untermarken-Unterschiede herausarbeitet (Farbleitlinien?) und dennoch klar als
EINE Dachmarke arbeitet.
 
 
2. Bildmarke
 
a)  Allgemein-rechtliche Probleme der
Bildmarke.
 
Wenn Sie Pech haben, passiert Ihnen das,
was der großen Internetplattform Mr. Wong mit ihrem runden, gedrungenen,
klischeehaft feist-listig-grinsenden Chinesenkopf als Bildmarke
passiert ist: Die Internetplattform Mr. Wong bekam eine Abmahnung/Klage
und musste das Logo entfernen. Begründung: Rassismus.
Der Chinesenkopf musste weg, er stellt eine rassistische Beleidigung aller
Chinesen dar. Sie mussten tatsächlich ein neues Logo erstellen lassen. Wenn Sie
Markenrechts – Internet- und UWG-Anwälte in Ihren Plattformreihen haben, lassen
Sie das bitte vorher prüfen, bevor Sie einen Wettbewerb aufrufen, der so ein
düsteres Hakennasen -Logo implementiert und stilistisch vom Design
darauf aufbaut. Sonst fangen Sie wieder ganz von vorne an.
 
b) Grafisch-werbliche Tonality der
Bildmarke
 
Der Indianerkopf geht grafisch-werblich gar
nicht: Er hat eine strenge, unfreundliche Miene. Er guckt nicht einmal im
Ansatz spähend
, sondern böse – und hat noch dazu wie gesagt eine
diskriminierend-deutliche Hakennase, wie in der Judendarstellung des
III.Reiches. Letzteres zieht mit ziemlicher Sicherheit
Rassismus-Vorwürfe
nach sich). Das passt
nicht zu einer Plattform, die modern, einladend wirken und mehr Besucher
anziehen will. Streng, unfreundlich geht eh nie und diskriminierend geht gar
nicht.
 
Daraus ergeben sich ebenfalls Probleme für
die gewünschte freundliche Farbgebung:
 
So mit dieser unfreundlichen Strenge und
mit dieser ungeschickten strengen Farbkombination, die aber stilistische Vorgabe
für die Farben sind, die von uns verwendet werden dürfen – dieses
Dunkelblau und dieses dark gold SIND in dieser Zusammensetzung nicht freundlich
–  bekommen Sie niemals eine freundliche, lockere und vor
allem schicke Optik mit freundlichen Farben und viel Weiß wie XING (plus helles
Grün) oder Mymuesli (freundliche warme Farben) [im Briefing des Wettbewerbs wurde die Anmutung wie XING, mymuesli als bevorzugt/gewünscht eingestuft, d. S.]. Das kann ich jetzt schon
beurteilen, das sehe ich klar vor mir. Freundliche Farbkombinationen und
Farbwelten im Corporatebereich gehen deutlich anders wie in Ihrem derzeitigen
Logo.
 
3. Briefing
 
Das gesamte Briefing müsste vor Beginn der Arbeiten
überarbeitet und von der Agentur in einem sauberen und aufwändigen Creative
Re-Brief neu dargestellt und abgestimmt werden. Grund: Es ist – so wie es
derzeit ist –  von einer seriösen, markentechnisch und corporate-design- und
joborientierten Agentur nicht ausführbar, da es keine klare Arbeitsgrundlage
darstellt.
 
Nur ein Beispiel, es gibt noch mehrere: "Die
Conversionsrate soll durch ein neues Design erhöht werden".
Kein noch so
schickes, neues Design dieser Welt kann eine Conversionsrate erhöhen. Dieser
Punkt geht gar nicht. Bitte halten Sie Rücksprache mit einem erfahrenen
SEO-Fachmann und Online-Marketer Ihrer Wahl. Aber selbst ein Diplom-Designer,
der in der echten Welt weilt und in der Online-Welt auf dem laufenden ist, weiß
das.
 
 
4. Teilnahmebedingungen
 
Nicht nur ein (wie oft zu großes) Gremium stimmt
ab. Das ist eine bekannte Schwierigkeit für eine präsentierende Agentur, vor
allem, wenn man nicht persönlich präsentieren kann, sondern nur online, und
dadurch kaum persönliche Überzeugungsarbeit auf Augenhöhe leisten kann, die hier
dringend nötig wäre.
 
Sondern dazu soll es zusätzlich noch eine
Online-Abstimmung geben. Die Online-Abstimmung ist aber fachlich so fair und
ungefähr so zielführend für Ihr Anliegen, eine wirklich gute Meta-Plattform zu
bekommen wie "Deutschland sucht den Superstar". Keine
Corporate-Design-Agentur, die auf sich hält, läßt ihre durchdachte Arbeit, die
sie per Brief und Re-Brief geleistet hat, fachlich öffentlich-Online beurteilen
von Menschen, die weder das Briefing, noch irgendein Re-Brief kennen und gesehen
haben (sich vermutlich auch nicht die Mühe machen würden, sich das alles
durchzulesen und zu verinnerlichen), dazu einen Scout-Fährtenleser nicht von
einem Indianer auf Kriegspfad unterscheiden können aber bereits vorher schon
einen festen Zettel in der Hand haben, wen sie mit viel Traffic und
Aufmerksamkeit zum Favoriten küren sollen (Seilschaft- und
Verbandelungsfaktoren). So wird das sein.
 
 
Ich möchte daher mit meiner Agentur die
Teilnahme an diesem Wettbewerb, wie er derzeit inhaltlich und von den
Bedingungen her ist, höflich absagen. Vor allem wg. Punkt 4.
 
Es tut mir
leid.
Vielleicht
überdenken Sie Ihren Wettbewerb und Ihr Briefing, und lassen sich besser für
eine Briefing-Erstellung an Agenturen kompetent beraten.
 
Nur dann bin ich
wieder mit dabei.
 
Mit freundlichen Grüßen,
die Vroni Gräbel
 
the missing link
Designbüro für bessere
Kommunikation

_______________________________________________________________________________
Nachtrag/Update:
So sieht das (in meinen Augen) ungünstige Logo aus

Logo_indianer_rgb

Was der Mittelstand, KMUs über das Web 2.0 wirklich wissen sollten

Hessen-IT hat ein wirklich hilfreiches Werk über Web 2.0 für den Mittelstand verfasst, ein kostenloses PDF, zum runterladen.

Nicht alles, was kostenlos ist, ist schlecht. Dieses hier ist in seiner Zusammenfassung eine gute, saubere Arbeit (kein PR-Gesülze) und absolut lesenswert. Wissenswertes und How To über Podcasts, Social Bookmarking, Long Tail, kollektive Intelligenz, neue Vermarktungsmöglichkeiten. Am besten ausdrucken, denn das sind keine Info-Häppchen, die man mal schnell am Computer überfliegt.

Kleiner inhaltlicher Kritikpunkt von mir über den Artikel 3.4 “Nutzung durch KMU, Corporate Blogging” (Seite 24):

 

“kostengünstiger Betrieb”

 

Das stimmt nicht. Warum?

Corporate Blogging ist alles andere als nicht aufwändig, rechnet man die Zeit, die man damit verbringen wird und die Tatsache, dass man fundiert, überlegt und dennoch “sexy” und gut schreiben muss, sonst bleiben ganz brutal die Leser aus. Und: Time is Money, tempus fugit.

Nein, rechnen Sie Ihren ganz persönlichen Stundensatz aus, den Sie nach draußen verrechnen (wenn Sie ihn nicht schon wissen, das setze ich eigentlich voraus), den müssen Sie dafür ansetzen. Nicht weniger oder Null, das ist betriebswirtschaftlicher Dummfug.

Corporate Blogging ist nicht: Verlautbarungsjournalismus top down, ist nicht: Hineinstellen von technischen Features, die mal ein Werbetexter geschrieben hat, kein Abkopieren von PR-Artikeln, die schmissig verzapft wurden, nie, das ist kein Blogging. Auch die rasche Idee, einen günstigen Praktikanten (“er schreibt doch recht nett”) da hinzusetzen, macht die Idee nicht besser. Corporate Blogging braucht ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Ausdauer, am besten vom Boss und gut kommitteten Angestellten. Das sind mich derzeit beispielweise Kirstin Walther (Saftblog) hat und herwig danzer (der schreibt sich wirklich absichtlich klein, so isser) vom Möbelmacherblog “Nachhaltig”. Reinlesen!

Es ist grundfalsch und typisch technologisch-merkantil angehauchter Typus (Tschakkaaa!), als Betriebskosten nur die Serverkosten zu sehen, die sicher weniger kosten als eine 3stufige Dialog-Mailingkampagne – stattgegeben. Man muss die Arbeits-, liebevolle Recherche- und Schreibzeit sehen und auch die Zeit für die Pflege der Kommentare (id est: ihnen auch mal antworten, das ist ein ganz heißes Thema im feedbackfaulen Deutschland…). Dass muss alles, sonst halbherzig und wird nichts. Ich will Sie nicht abhalten, nur sollten Sie wissen: Es wird brutal unterschätzt im Aufwand. The missing link bloggt am 29. September 2007 genau seit 2 Jahren und weiß das. Oft gehen locker 2 Stunden pro Tag allein nur für Recherche und Verlinken drauf. Dann am Diskurs teilnehmen, in anderen Blogs ab und an präsent sein (nein, nicht Links spammen, sondern fundiert kommentieren), und neue Artikel ausdenken: nochmal 2 Stunden. Das ist die Realität.

Bei einem fiktiven Stundensatz von 150 € und bis jetzt 269 Beiträgen haben wir gemeinsam an Zeitaufwand fürs Bloggen bis jetzt eine Summe zwischen 80 700 € und 161 400 € ausgegeben. Kommen dazu noch die läppischen Sixapart’schen Server-/Hostingkosten von 14,95 € im Monat: nochmal insgesamt 358,80 € (Peanuts!!). Hab ich was vergessen?

Und wir sind zwei, immerhin, und teilen uns das. Seien Sie keine dieser Eintagsfliegen, die sinn- und hirnlos eine Blogpräsenz eröffnen und dann nach wenigen Wochen die Lust verlieren, weil nicht sofort Kunden heranstürmen. Das erst wird das Image beschädigen.

Apropos Kunden heranstürmen:

Ein Corporate Blog ist keine Hard-Selling-Kundengenerierungsmaschine, ein Corporate Blog ist ein Gesprächsangebot auf Augenhöhe. Wer da in seiner Web 2.0 Euphorie den raschen merkantilen ROI glaubt zu kriegen, weil er top down billig was verkünden will, wird keinen Erfolg haben. Nicht, weil die restliche Bloggergemeinde (“rumprollende Rüpel”) zu kritisch ist und als Dauerhaltung rummeckert, nein, weil der stinknormale Internetnutzer nichts langweiliger finden wird als top down und lustlose, oder von Billigkräften (willig, aber billig)  hingerotzte Texte. Er merkt das schnell – auch wenn er “nur Hauptschulausbildung” hat :-( und wird stante pede Fersengeld geben.

Oh, war ich jetzt zu sehr top down? Ich werde mich bessern.

 

Rotkäppchen ist kein Dr. Oetker

Die Medienschau von heute lehrt: Man kann Werber sein, ohne im einzelnen zu durchblicken, welchem Tycoon gerade welche Marke gehört.

Eine Ansicht, die ich erstmals verteidigen musste, als ich vor zwanzig Jahren nicht wusste, dass man in Nürnberg egal ob Patrizier, Tucher, Lederer oder Zirndorfer Bier praktisch aus dem selben Sudkessel schöpft. Wieso, sagte ich, Patrizier ist doch rot, Tucher blau, Lederer krokodilgrün und Zirndorfer auch irgendwas. Da hätten Sie den Saufexperten mal hören sollen, der sich einiges auf sein tagespolitisches Öhrchen zugute hielt. (Sie kennen den Schlag: Aktien-Checker, zur Zeit arbeitslos, will in zwei Jahren oder zehn den Iron Man machen und bestellt sich seit dem frühen Nachmittag das letzte Bier, weil er über dem Austrinken einen Bus nach dem anderen verpasst. Gedeiht in fränkischen Landgasthöfen.)

Finanzpolitik mag bestimmt für etwas gut sein. Auch nach den zwanzig Jahren bleibe ich dabei, dass solches Wissen eher hemmend wirkt, wenn man Marken, nicht aber Elefantenehen bewirbt. Werber sind auch Menschen und deshalb gelegentlich Verbraucher. So weit sollten sie sich also mit all den anderen Verbrauchern identifizieren, denen sie ihre gut durchgeplanten, an einer sinnvollen Strategie entlangdesignten Werbemittel verkaufen: Die Leute wollen was zu naschen haben, keine Nestlé-Produktdiversifikation.

Überrascht hat mich in diesem Sinne das heutige Multiple-Choice-Quiz auf web.de, bei dem man raten wissen muss, wer in letzter Zeit wen aufgekauft hat. Aber ich hab ja nicht mal während der New Economy eine Aktie gekauft.

Weiters (sic) sind uns die Österreicher wieder mal mindestens einen Monat voraus: Im noch rückständiger als das restliche Österreich geltenden Burgenland gibt’s schon die Nikoläuse. Brauchen die ihre Regalmeter denn gar nicht für das Ziergemüse für Halloween? “Kunden sind verwirrt, kaufen aber.” Frohe Weihnachten.

Nur wer Schmerzen hat, geht zum Doktor.

Oder auch nicht.

Bildquelle: hostel sadomaso

Ich hab noch mal drüber nachgedacht, was es sein könnte, was viele Firmen so nichtsehend macht, was eine funktionierende übergreifende Strategie betrifft.

Ist es "Das gute Beispiel fehlt":
1. Dass sie nicht vorexerziert krieg(t)en, dass es nur Erfolg bringt, wenn man sich eindeutig aufstellt? Man deutlicher wirbt, mit frechem Ambient, z. B. (Das Unternehmen keine positiven, ertragreichen Beispiele von guter Strategie und frecher Werbung kennt oder erzählt kriegt?)

Oder ist es "Der Schmerz fehlt":
2. Die bisherige Methode des Unternehmens ist noch nicht erfolglos genug, sie geht noch eine Weile "gut".

Wenn es 2. ist, muss die Kundenansprache ausgehend von Leuten wie uns generell nicht nur höflich, sanft und nett über den an sich begreifbaren Benefit = "Nur mit Planung des roten Kommunikationsfadens stimmt deine Kommunikation und nur mit Planung wirst du dein Budget richtig und gewinnbringend einsetzen, ROI, blabla" erfolgen. Das ist dann zu dezente Kinderkacke.

Sondern über das krasse Inszenieren eines Schmerzgefühls. Dem Gefühl, es geht so nicht weiter.
Nur wer Schmerz hat, handelt. Wie Ärzte wissen. Ergreift Maßnahmen, die er vorher liegen gelassen hat.

Bei uns damals in der guten alten Tante McCann waren – von mir "gefühlte" – Schmerzkunden ca. 70% der Kunden, und zwar gut situierte Kunden, keine Krauterer. Sie waren "Schmerz"-Kunden, denn sie kamen, weil es aktuell "gebrannt" hat. Umsatz ging zurück oder so etwas. Der Rest der Kunden kam, weil er die Führung kannte (Vertrauen von Boss zu Boss) oder weil es zum guten Ton gehört, bei McCann zu sein (Image).

Der Boss von Westaflex, der mich kürzlich anrief, hat sofort kapiert, als er hörte, wir seien McCanner gewesen (Pling im Kopf!! McCann kannte er, fand er gut). Den Rest meiner Antworten hat er wohl nicht so recht verstanden (da verwette ich meinen Hintern), da konnte ich reden, was ich wollte. Und ich kann reden, an dem liegt’s doch hoffentlich nicht :-)

Was fehlt also:
1. Das gute Beispiel? (Fehlt tatsächlich oft…, der Kommunikationsfachmensch redet nur über seine tolle Strategie, erzählt aber nicht, was sie pekuniär eingebracht hat, aber nur das zählt. Ich suche gerade erfolgreiche Beispiele.)
2. Oder der Schmerz?

Feedback erwünscht,
(Telefon-Joker gibt es keinen…, hier nix call-in-Fernsäh:-)

Hokus Pokus Viribus

Viral ist die Zauberidee ( und sprichst du nur das Zauberwort…), wenn das Budget schmal ist und man trotzdem Bekanntheit möchte. Denn es verkörpert auf geniale Weise, wie Internet funktioniert: Der gelangweilte Lebens- und Büroslacker hüpft freiwillig drauf und amüsiert sich prächtigst zu Tode und erzählt das auch noch von selber weiter (der Depp als Viruswirt…).

Leider erzählen irgendwelche komischen Web 2.0 Unternehmensb(e)rater-Gurus, die sich als Freud-Epigonen wähnen, in Wirklichkeit aber aus der Ecke Informatik kommen, absoluten Kommunikations-Blödsinn: Witzig sei nur, was als Tabubruch daher käme. Und KMU fallen darauf herein. Nur weil Papa Freud mal erzählt hat, dass ein wirklich guter Witz nur dann ein echter Knaller ist, wenn er ein Tabu berührt.

Logisch: Wir lachen am meisten über das, was uns weh tut. Witze über Schwiegermütter und über Chefs lehren uns das.

Die sogenannte logische Umkehrung aber, dass alles, was ein Tabu bricht, automatisch dann auch witzig sei *zurücklehn*, ist ein Fehlschluss. Der nur aus der Mathematiker- und Informatik-Ecke kommen kann. Rührt euch, wenn ihr Mumm habt, ihr lebensfremden Kommunikationsversager! *french kiss aber auch*.

In Wirklichkeit ist Humor aber immer ein zweischneidiges Schwert. Man muss sich fragen: Funktioniert auch der Witz sozial? Passt er fürs social web? Oder halte nur ich ihn für witzig, weil ich gern primitive und unkorrekte Witze höre? Und das ist viel komplexer als eine mathematische Gleichung, die in ihrer Welt der emotionslosen Zahlen immer und komplikationslos als simple Umkehrung funktoniert: a = b, also ist b = a. True = true;  false = false.  Oder für die Fans des Pythagoras:

a² + b² = c². Also ist  

Wunderbar.

Nur: Wenn ich Tabus wie Porn, Sex, Inzest, Betrug oder den Furz zum Inhalt meiner viralen Spots nehme, ist der dann auch wie die Umkehrung der mathematischen Gleichung auch gleichzeitig immer witzig? Eine Witzischkeitsgarantie?

Nä. Auf dieses Idee, diese schmale logic fuzzi Brett, können echt nur Mathematiker und Ingenieure kommen, oddr? Falls Werber (Berufskommunikatoren, hach) drauf kommen, dann sind sie entweder windelweiche Ja-Sager oder blöd in der Birne und haben ihren Beruf verfehlt. Weil sie Ihre Kohle wollen und kaum fragen: “Zahlt das auch auf Ihre Marke ein?”

http://www.werbeblogger.de/2007/06/19/pariser-duft/
http://www.werbeblogger.de/2007/05/16/happy-fathers-day/
http://the-missinglink.blogs.com/logisches/2007/06/westaflex-is-ov.html
http://www.werbeblogger.de/2007/03/18/jvm-weis-genau-was-hinten-raus-kommt/

OK, jetzt habe ich es mir mit Ingenieuren und Mathematikern komplett verdorben. Dabei war ich sehr gut in Mathe und eine meiner besten Freundinnen im Gym ist Mathematikerin geworden. Ich liebe Mathematiker! Und Bach. Manchmal, wenn von Glenn Gould gespielt. Aber das war auch nur so ein furzender Verrückter… Und wenn der Web 2.0 Käse vorüber ist, wird es darüber ein fettes Buch von T. C. Boyle geben wie damals das “Grün ist die Hoffnung” (World’s End.  New York: Viking, 1987.) und “Willkommen in Melville” (The Road to Wellville.  New York: Viking, 1993). Eine Glosse über inkompetente Ernährungsgurus und windige Geschäftemacher.

________________

Fetter Rat an Kosten sparen wollende KMU: Holt euch Leute, die wirklich was vom Witz verstehen, Informatik-Professoren und Web 2.0 Gurus sind es jedenfalls nicht, die den Tabubruch wie Porn, Splatter, Vergasung zur heiligen Kuh erheben wollen. Informatiker haben null Humor und begreifen als soziale Autisten absolut nicht und nie mehr in diesem Leben, warum nur Harald Schmidt und Polen Polenwitze machen dürfen. Und Web 2.0 Gurus haben nur ihr eigenes Beratergeld im Kopf. Ihnen ist es wurscht, ob Sie sich blamiert haben. Logisch mal  wieder: Es ist nicht ihr Geld, sie stehen nicht in der Verantwortung.

Zweiter fetter Rat an KMU:

Bester Humor ist: Selfirony. State of the Art, wie Engländer und englisch schnackende Länder wissen. Nichts ist dumpfer und peinlicher als deutscher schenkelklopfender Anal-Humor. Nichts ist sympathischer als souveräne Selbstironie wie in einer Anzeige der Hilfsgemeinschaft für Blinde und Sehbehinderte:

Was sagt ein Blinder wenn man ihm Schleifpapier gibt?

“Verflucht, ist das aber klein geschrieben!”

.° .; : .: °: .; .; :: ;.. ‘

 

Das allzu liebe KMU-Netzwerk – Oder wie man Fehlärr vermeidet, indem man verwandte Zulieferer vermeidet. Am Beispiel des Westaflex-Desasters.

Unser Westaflex-Artikel zog Kreise. Ziemlich mittelgroße, der Werbeblogger berichtete.

Was mich aber endgültig stutzen machte, war ein Fund auf Bjoerns Blog www.ognibeni.de. Auch der gute Bjoern, der Blogger von Ognibeni, war im Dialog mit Sabine, der PR-Lady von Westaflex. Die tapfer anschließend Blog-Monitoring betrieb und sich dankenswerterweise dem Web 2.0-Dialog stellte. So wünscht sich das ein Blogger, danke Bjoern, danke Sabine und Hochachtung (no kidding).

Und sie sagte etwas für mich Aufschlussreiches, was mir spontan eine Ursache der missglückten Clips erklärte: (Zitat
Sabine DeCuir auf dem Blog ognibeni): “Ansonsten hatten wir Hilfe aus der Verwandtschaft beim Imagevideo.”  Gemeint war der wohl der Bierfilm. Zu vermuten auch: der Pups-Film. Aber das weiß ich nicht genau.

Ich ging dem Link nach, googelte auch nach dieser Produktionsfirma und fand das, was ich mir dachte: Sie sind Techniker durch und durch, stolz auf ihre Kameras, Bühnen, Cutteranlagen. Eine kreative Abteilung aber fand sich nirgends. So weit so gut. Zitat aus “Philosophie” von http://www.filmundtv.de/ (Mist, ihr TV-Leute, ihr habt die Asbach-Uralt-Frames, gehts noch) :

– Unser Grundsatz uns von Beginn an mit der Philosophie unserer Kunden
zu identifizieren und Filme herzustellen, die auf einer excellenten
Filmidee basieren. Filme, die wir mit vollem Vor- und Zunamen
unterschreiben können.

– Unsere Innovationskraft schafft außergewöhnliche Filme mit
außergewöhnlichen Techniken: damit sie tiefer und länger im Gedächtnis
der Betrachter verbleiben.

– Unsere Flexibilität auch zu ungewöhnlichen Zeiten an verschiedenen
Orten mit professionellen Menschen und perfekter Technik (HDTV) unsere
Arbeit zu leisten. In Zusammenarbeit mit unseren Netzwerkpartnern
Ihnen, unserem Kunden, einen Full Service anzubieten.”

Summary: Sie stellen heraus, dass sie sich mit ihren Kunden identifizieren wollen, sie heben dazu noch explizit ihre technischen Anlagen hervor, die sicher respektabel sind. Dagegen ist nix zu sagen, ein Must. Klingt normal, so kennt man zig Firmen-“Philosophien” (Obwohl: wir haben eine andere, wir beraten unsere Kunden vorab, und zwar ergebnisoffen, which means wir lassen die Kohle auch mal sausen – und wir widersprechen, wenn wir es für geboten halten. Wir legen unsere Kunden nicht rein, indem wir plattes brown-nosin’ bei Prosecco betreiben, sondern segeln im Gegensatz zu vielen in unserer Branche lieber hart am Wind.)

Ihr Westaflexer (ich wende mich jetzt wieder an den Auftraggeber Westaflex), wisst ihr, was überhaupt nicht geht? Was schädlich ist, wenn man sich Lieferanten zur Umsetzung sucht? Genau. Verwandtschaft!

Seid ehrlich. Habt ihr schon mal Verwandtschaft getroffen, die akkurat, professionell und ehrlich Ideen von euch analysiert und in der Lage ist, diese unemotional und offen mit euch zu besprechen? Geht nicht. Das wissen sogar Umfrager: Verwandte und Freunde sind bei solchen Punkten am allerunehrlichsten. Sie wollen euch… schonen und sagen immer, dass das supertoll ist  Von ihnen werdet ihr nie die Wahrheit erfahren. Gründungsberater raten beispielsweise dringend von der Verfahrensweise ab, Business- und Vermarktungs oder Werbeideen von Verwandten & Freunden bewerten zu lassen. Ist eine alte Binse. Man muss, wenn man es ernst meint mit Firma und so und keinen Wolladen aufmachen will, echte Mini-Marktforschung betreiben  – nix mit billig Verwandte fragen – oder eben Leute finden, die das Angebot und die Idee aus ehrlicherer Distanz bewerten können. Und nun das…

Eine Idee braucht zum Gedeihen: Sparringspartner. Eine Idee braucht manchmal auch: einen advocatus diaboli. Sie braucht Menschen, die genügend Abstand haben, auf echte Relevanz abzuklopfen. Sie braucht nicht: willfährige, vorwiegend technisch orientierte Umsetzer, die dazu noch keine eigene kreative Abteilung zu  haben scheinen. Ich weiß, das klingt böse. Ich will nicht: diese TV-Firma in den Schmutz ziehen, sie hat sicher auf ihre Weise gute Arbeit geleistet. Wir sind auch keine direkte Konkurrenz, wir machen “nur” Design und Strategie. Wir Ollen.

Aber bitte begreift den Zusammenhang. Holt euch beim nächsten Mal Kreative, die aus sich, aus ihrer unabhängigen Herkunft heraus (Verwandtschaft = immer unvermeidbare Abhängigkeit, sei es um die nächste Grillparty, das Grundstück von Omma oder der nächste Stadtratssitz), sagen was sie fachlich wirklich denken. Die sich aus sich heraus, weil sie eben keine Rücksichten auf Bruder, Onkel oder Tante nehmen müssen und aus ihrer professionellen Distanz heraus auch trauen, euch zu widersprechen. Die auch eine andere Philosophie haben. Holt euch Sparringspartner aus dem Filmbereich, die auch eigenständige Drehbücher und Plots können, die für bessere Ideen kämpfen, die 2.0 Expertise haben, die eigens eine kreative Abteilung haben und nicht behaupten, sie wollten  sich mit ihren Auftragskunden identifizieren. Ganz anders: Sie sollen sich in den Abnehmer- oder Endkunden hineinversetzen können, der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Im Moment scheint es so, dass der arme Zulieferer von euch gezwungen wurde, den Wurm (!) für den Angler (sic!) und nicht für den Fisch (sic!) schmackhaft herzurichten, bäh, entsetzlich, grauenvoll, ganz falsch. Es ist zu eurem Besten, sich da zu besinnen.

Jetzt hab ihr euren Imageschaden, und der ist durch nichts mehr gut zu machen. Nein, wir bewerben uns nicht um das nächste Projekt bei euch. Grund: Uns scheint, eure Geschäftsleitung ist noch nicht so weit zu begreifen, dass Ideen, im Team geschmiedet und von der lieben unbuckligen Verwandtschaft umgesetzt, trotzdem Scheißideen sein können. Tut uns sorry.

Bis dahin lest pidde (nicht nur eure arme PR-Lady, die dauernd nur euere Macken ausbaden muss, sondern die Geschäftsleitung!! menno!!!!) dringend Brainwash und den genialen Kaizen-Meister, Teamkritiker und Kritiker der Impliziten Logiken Guido Stepken und trinkt ein Bierchen auf uns alle zur Beruhigung. Wir meinen es gut mit euch und wollen nur spielen. Cheers, Sláinte! “May you live lucky and healthy a hundred years, but with one extra year to regret!”

Fachliches Disclosure:
Kleine unbedeutende 2-Mann-Frau-Agentur, aber aus Top Ten Agentur stammend, mit jahrelanger kreativer Workflow-,  Storyboardentwicklungs- , Fotoregie- und Strategie-Erfahrung.  Erfahrung auf dem Gebiet der Kommunikations- und Wahrnehmungsforschung, Konstruktivisten und Dekonstruktivisten. Systemisch und prozessual denkend, aber immer wissend, dass die meisten Entscheider “nur” ergebnisorientiert und nicht prozessorientiert denken. Was ihr gutes Recht ist, dafür haben sie ja uns.

Pull und Push – oder: Gibt es überhaupt noch “Zielgruppen”?

[Mein Beitrag als bör auf der Blogbar]

Eine Polemik

Um einem Irrtum vorzubeugen: Es gibt keine “Zielgruppen” mehr. Zumindest nicht im Internet. Das
Internet ist ein Pull-Medium. Das haben viele Internetentrepreneure
nicht kapiert, und die old school draußen im Print-Sektor kapiert es
sowieso dreimal nicht mehr.

Pull-Marketing zielt darauf ab, dass die Menschen freiwillig etwas
suchen, es finden, es auswählen können und attraktiv finden. Und von
sich aus gut darüber reden wollen, ohne Zwang.

Push-Marketing hingegen ist das alte Jäger-Zielgruppendenken (wer
sind sie, in welche Schublade stecke ich sie am besten, und wo, wie
erwisch ich sie am besten, wer von denen hat am meisten Geld) und genau
das bringt sowohl Werbewirtschaft, Start-Ups als auch die
Althasen-Entrepreneuere im Netz (und auch draußen langsam) nicht mehr
recht weiter.

Diesem Irrtum im Internet (vor allem die Überlegung: “Mann, ich
wende mich doch gleich an die, die am meisten Geld haben”) sitzt auch
der Don mit seiner – betuchteren? älteren? wir wissen es nicht – Mille
Miglia “Zielgruppe” auf. Warum ist das ein Irrtum? Erstens gehen im
Internet die Leute dahin, wo es ihnen passt.

Nicht nur das: Bereits, zweitens, das old school Denken hier (Zielgruppen, bla) ist bereits fehlerhaft:

Es wird hier verbreitet, z. B. Studenten wären als Zielgruppe doch
sowas von uninteressant, da kein Geld. Das stimmt schon mal im Präsens
nicht, denn es gibt dank der Studiengeldpolitik und der
gesellschaftlichen Veränderungen immer weniger BaFÖG- und arme-Schlucker-Studenten. Studenten haben heutzutage im Durchschnitt einen
wohlhabenderen Background. Zweitens werden sie – nach dem Studium, und
trotz der Prakiktantenmisere oder ihrer zeitweise prekären Lebensstile
– im Durchschnitt mehr Geld haben als ein Dreher, ein Krankenpfleger
oder eine kleine Buchhändlerin (Lehrberuf) je haben wird. Fazit: Man
übersieht hier in dem Blog einfach – wenn man sich schon unbedingt an
die old school “Zielgruppe” wie Leim hinkleben will – dass gerade
Studenten in ihrer Biografie viel beweglicher sind als ihre
Zielgruppenjäger.

Banken haben generell die biografische Beweglichkeit der Leute
begriffen – auf bauernschlaue old school Basis wohlgemerkt – und schon
vor Jahren kapiert, sie antizipierten, dachten immerhin weiter in ihrer
Bauernschlau-Blödigkeit. Sie verschenk(t)en beispielsweise scheinheilig
an Neugeborene Sparbücher mit kleinem Guthaben. Das wurden oft die
Kunden von morgen. Oder warum wurde/wird auch um Teenager mit einem
Taschengeld von 20-200 € so ein Werbezirkus gemacht.

Die vom Zeitfenster her sehr kurzfenstrige Überlegung (in
weitgehenden Käufermärkten wohlgemerkt, in deren Überangebot der Käufer
weiß, dass er wählen kann… ): Ich such mir JETZT ne “Zielgruppe”, die
jetzt zahlungsbereit und wohlhabend ist, und die kommt dann und ich
mach damit Mords-Geschäft, haut daher im real life immer weniger, und
im Internet überhaupt nicht so hin. Sie wird nie hinhauen.

Das ist das Dilemma der ganzen Geschäftsneuentwürfe im Netz. Die
Adressaten (gibt’s auch eigentlich nimmer, so wenig wie “die Zielgruppe”)
sind unberechenbarer: Sie kommen – oder sie kommen nicht. Sie laden
Bilder hoch oder sie lassen es. Sie haben einen bezahlten Account oder
mogeln sich mit free account durch oder sie sind Karteileiche. Oder sie
haben “altmodische” Alben. Oder sie fahren auf mehreren Schienen.
Warum, weiß kein Mensch genau. Und es wird dank ihres Eklektizismus
leider und Gottseidank immer schwerer sein herauszufinden, warum sie das tun
und welchen Hintergrund das hat.

Statt aber gründlicher Studien und halbwegs guter Befragungen gibt
es über Verhalten im Netz immer mehr oberflächliche oder einseitige
schlechte “Studien” von Netz-Marketingfirmen, die ihre
grottenschlechten, hausgemachten “Studien” im Netz nur zu ihrer eigenen
PR und Desinformation nutzen – oder es gibt Kaffeesatzlesen, wie hier.

Das Internet mit seinem Pull wird einfach immer noch nicht
verstanden. Man will wie gewohnt Push daraus machen (”…man muss doch
besser bezahlte “Zielgruppen” anvisieren, das wird doch sonst nichts…”,
daher wird man scheitern. Daher betrachtet man Marketing im “real life” als
besser, nur daher. Da geht Push – noch.

Und dann kommt das als Web 2.0 bezeichnete Community-Marketing, welches
im Grunde auch nur vom Push-Gedanken lebt (Push: Wie krieg ich viele
Adressen/Daten, um das dann zu verkaufen, wie drück ich denen schlau
Werbekontent rein, wie krieg ich möglichst viele Konsumbereite,
etc.)

Meine Analyse, woran das Web 2.0 krankt: Ich nenne es Segeln unter
falscher Flagge. Web 2.0 kommt als Pseudo-Pull daher, ist im Grunde
seines verlogenen Wesens aber altmodisches Push. Daher wird es im Netz
damit nichts.

Vroni, Ex-Werbefuzzie,
aber immer noch Kommunikations-Designer.
Mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation und dass sie klappt, nicht auf sinnentleerte, hübsche Rüschen.

Verstehen Sie als Kunde etwas von Design?

DER DESIGN- UND MARKETING-TEST

Wer Fach-Dienstleistungen einkauft, muss sie nicht können (er kauft sie ja genau deswegen ein), aber er muss wissen, was er denn einkauft. Ein Widerspruch?

Hand aufs Herz: Wissen Sie als einkaufender Kunde hundertprozentig, was Design ist, warum Sie glauben, es zu brauchen, und wissen Sie auch, was es kann? Und was es nicht kann?

3 kleine Testfragen, wie fit Sie sind.

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Frage 1:
Ein Unternehmens-Auftritt Ihrer Konkurrenz gefällt Ihnen ausnehmend gut und Sie glauben, Ihr Konkurrent macht damit mehr Punkte als Sie. Warum?

a) Weil seine Farben schöner sind als Ihre.

b) Weil er so eine hübsche kreative Idee mit flotten Sprüchen als Aufhänger hat.

c) Weil er in den Texten seiner Kundschaft beweist, dass er ihre Bedürfnisse verstanden hat und ihnen dazu etwas Perfektes anbietet.

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Frage 2:
Sie ärgern sich über den schwachen Rücklauf Ihrer teuren online Banner-Kampagne. Was sagen Sie Ihrer Agentur?

a) Sie soll das nächste Mal auch so ein designiges Flash-Dingens wie von Firma XY machen, wo der User interaktiv damit spielen kann, das bringt mehr Klicks.

b) Sie soll sich das nächste Mal um bessere Schlagwörter kümmern, die den User wirklich interessieren.

c) Sie kündigen ihr, denn sie hat nicht verstanden, dass Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung einen echten Dialog mit den zukünftigen Kunden braucht und die Banner-Berieselung nicht der richtige Weg ist.

___________________________________________________________________

Frage 3:
Sie haben Messeauftritte zu planen. Wann fangen Sie an damit?

a) Mindestens ein halbes bis dreiviertel Jahr vorher, denn Sie wissen, dass ein aufregender Messeauftritt und die Messe-Aussagen plus das Design und die ganze Vorbereitungen dazu genauso lange brauchen.

b) 8 Wochen vorher anzufangen reicht Ihnen. Es zieht Ihnen eh schon zuviel Manpower vom Tagesgeschäft ab. Zudem einmal hat Ihr Vertrieb noch nicht einmal die Anfragen der letzten Messe nachbearbeiten können, Neu-Schulung braucht er auch nicht, das Produkt kennt er in- und auswendig.

c) Ein Vierteljahr vorher genügt. Und die Agentur soll die wirklich netten Bilder vom Vorjahr, die Ihnen so gut gefallen haben, nehmen und einfach neuen Text dazu schreiben. Ist auch nicht so wichtig, denn Ihre Messebesucher werden sowieso von Ihrer Firma eingeladen, zum Stand zu kommen. Die kommen, garantiert. Daher brauchen Sie kein aufgeblasenes Kommunikationskonzept und sind – schlau – nicht auf Laufkundschaft angewiesen.

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Die Auflösung:
Ich verrate im Kommentar unten, welche Antwort Design-Dummfug ist, welche schlau ist und welche nicht.
Aber heute noch nicht. Viel Spaß beim Kommentieren

1. a?b?c?  2.  a?b?c?  3. a?b?c?
Den richtigen Kombi einfach in das Kommentarfeld pasten.

Neoliberalitas Bavariae

Haben wir’s nicht immer geahnt: Ein neoliberaler Hundling ist er, der Kunde. Sagt wer? Führende Kundenkundler.

Wetten, in München, der Welthauptstadt des Kundenservice mit Herz, ist es in den bevorzugten Gaststätten der Avantgarde längst statthaft, auf "Schau, dass’d mer dei Maß gscheit vollgschenkt kriagst, du ganz hinterkünftiger Haderlump, du ganz hinterkünftiger!" zu antworten: "Do wanns’d di net schleichst, du neoliberaler Saubeitel, du neoliberaler!"

Manchmal hat es etwas Beruhigendes, nicht mehr in Lokalen verkehren zu müssen, die von zwanzigjährigen Kundenverächtern für eine 14- bis 29-jährige Manövriermasse eröffnet wurden, sondern still zu Hause seiner verschrobenen Vorstellung von CRM anzuhängen.

Wer nicht lächeln kann, sollte keinen Konkurs anmelden, wie die Chinesen sagen. Und die sind… Nun ja, sie sind viele.

Internet und Credibility


Credi… , was?

Vertrauenswürdigkeit.

Wie vertrauenswürdig können Unternehmen überhaupt sein, und warum hält jeder das Internet für einen Hort des demokratischen Wissensmiteinander und lügt oder faket trotzdem wie gedruckt?

Es hat damit zu tun, dass nur das Gespräch von Angesicht zu
Angesicht einen Hauch(!) Rückschlüsse auf Person, Charakter und
wahrhaftigen Inhalt zulässt.

Rückschlüsse, inwieweit man dem Gesprächspartner im Moment und auch
in Zukunft vertrauen kann. Man sieht ihn, wie er vielleicht unruhig
zwinkert, man hört eine Stimme, die plötzlich abbricht, man riecht ihn
(:), riecht evtl. auch Freude oder Angstschweiß, spürt ihn (lascher
Händedruck?). Kurz man nimmt den ganzen Menschen mit seiner Botschaft
wahr, vorrausgesetzt man ist in der Lage zu sehen, zu hören, zu riechen und
verfügt über eine umfassende intuitive Wahrnehmung der unsichtbaren
Dinge. [Selbst dann kann er einen noch täuschen – wie jeder wohl schon
erfahren hat].

Das Telefon hat nur den Kanal Hören, da fallen viele
Wahrnehmungsmöglichkeiten weg. Immerhin, die Stimme kann sehr viel
verraten.

Das Internet hat fast gar keine simultanen Eindruckskanäle
mehr, hat nur das Auge, die Pixel, die schneller gelöscht oder kopiert
sind, als man husten kann. Emotionale Äußerungen sind schwierig zu
vermitteln. Kann man sehen an Emoticons, die nötig sind, um bei
schlichteren Gemütern mit ironischen Stilmitteln amüsiert verstanden
statt verhöhnt oder verkloppt zu werden.

Daher nur eine Frage des Nachdenkens und eine zwingende Logik: In welchem Medium wird wohl am meisten gelogen und am meisten missverstanden… ? Man spart sich viel Ärger, wenn man einsieht, dass man diesem Medium
nicht allzuviel idealistische Bürde aufpappen darf. Es wird sie von
seiner Natur her nicht halten können. Writers are liars, my dear.

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Für Unternehmen, die im Internet eine Präsenz haben oder eröffnen, für Firmen, die e-commerce betreiben, hat das entscheidende Folgen. Ihre Werbeagenturen müssen ihnen das sagen.

In der Kommunikation:

Wahrhaftig und beweisbar bleiben im Internet, keine Phantasietexte!

Folge Nummer 1 ist, dass man als werbetreibender Kunde nicht glauben darf, durch wunderschönste Texte auf der Präsenz schon automatisch das Vertrauen des Lesers zu bekommen.

Grund a: Das Internet ist vom Gefühlsmäßigen her das flachste Medium, selbst Print kann durch wunderbar haptisches Fedrigoni-Papier und gestochen saubere Typo halbwegs eine gewisse vertrauenschaffende Werthaltigkeit erzeugen – das kann Internet nicht. Das Top-Internet-Akquisewunder kann keine Werbeagentur im Internet leisten, das wäre mehr als das Wunder von Berne.

Grund b: Vertrauen gibt keiner auf Vorschuss, sondern aufgrund gehabter Erfahrungen. Und selbst das muss immer wieder erneuert werden, damit es weiterhin so bleibt; ein einziger Ausrutscher hingegen, und alles ist futsch. Das spricht nicht gegen gute Texte, die müssen sein, aber sie müssen sich auf Erfahrbares konzentrieren und keine leeren Versprechungshülsen abliefern wie "toller Service!", "schnelle Lieferung!" (wie schnell?), "Spitzenideen!", "zielführende Beratung!" Das kann man nicht im Vorfeld schon wissen als Kunde, daher ist es in der internet-werblichen Argumentation unwirksam und daher überflüssig.

Besser ist es, sich im Internet (und auch anderswo) auf Nachprüfbares und Nachvollziehbares zu konzentrieren (z.B. pragmatische Herangehensweisen zu erklären, statt hochgestochene Philosophien zu blubbern) .

In der Einschätzung:

Das anonyme Netz: je bequemer, desto gefährlicher.

Folge Nummer 2 ist, dass im anonymen Netz Absicherung das A & O ist. Wer ohne Firewall-Schutz surft, wer als Unternehmen gehackt wird, der sieht, was passieren kann. Dies ist eigentlich das knallendste Argument gegen Gutgläubigkeit und Glaube an die Allmacht der Schwarmintelligenz. Es gibt keine Schwarmintelligenz beim Menschen, bei ihm das ganz genau andersherum als bei Sardinen :)
Die Erklärung liefere ich gern in einem zukünftigen Beitrag.

Diese unberechenbaren Netzgebraucher!

Sie verweigern Cookies.
52,6 Prozent der Internet-User schalten am Browser die Third Party Cookies (das sind die des Onlinevermarkters, nicht die der jeweiligen Ursprungs-Website) einfach aus.

Das hat gestern hochaktuell der Online-Vermarkter Ad Tiger, ein kleiner Vermarkter für kleine und mittlere Webseiten rausgefunden. Dadurch gehen – Zitat – mehr als die Hälfte aller Transaktionen verloren, die nach 24 Stunden
nach dem Klick auf ein Werbemittel eintreffen und somit nicht mehr via
IP-Tracking abgefangen werden können.

Besonders betroffen sei der Affiliate-Bereich, in dem das
Cookie-Tracking wegen der provisionsabhängigen Abrechnung unerlässlich
sei.

Wie ich Technik und Programmierungskunst einschätze, wird bereits fieberhaft an etwas gearbeitet, das unterbrechungsfreies Tracking in Zukunft trotzdem möglich machen wird Biggrin_14.

 

Wie man garantiert nicht pitcht

Eine vorbildhafte Eseley. Moritat mit 30 Beteiligten.

Es war einmal: Ein Auftraggeber aus dem öffentlich-touristischen Bereich, dessen Name ich jetzt nicht nenne (vielleicht später mal) lud im Juli/August dieses Jahres ein zum Pitch.

Das Briefing: nicht vorhanden bis kläglich unprofessionell.

Das erste Anschreiben: herb unklar (es wurde dann ein zweites verfasst)

Die Aufgabe: Marketing UND Corporate-Design (id est: man brauchte ein Lögelchen)

Der Pitchtermin: Von Anfang an zu knapp (in 14 Tagen, aber hallo!), das veränderte Anschreiben, das 4 Tage später eintrudelte, blieb bei dem anfänglichen Schlusstermin. Wie sinnvoll.

Terminsituation: es wirkte alles sehr sehr eilig.

Bezahlung/Pitchhonorar: keine. Agenturen flogen raus, die das erwähnten. Stronzi!

Wie ich zu dieser Info kam:
Eine befreundete Webdesignerin wurde dazu eingeladen und bat mich um Marketingunterstützung. Bekam sie.

Ich warnte sie aber dennoch freundlichst, da mitzumachen und von diesen 0 Cent-Summen-Spielen die Pfoten zu lassen, zudem halte ich nicht viel von vielköpfigen Gremien (Ogilvy rang the bell): Der Auftraggeber war ein vielköpfiges Gremium. Mit KMU (Marketing-Ausschuss, mit Leuten, die “Marketing” kaum buchstabieren konnten) und Politikern aus der Region bestückt. Bis zum Stotter-Stoiber rauf net, aber bis auf Landratsebene.

Präsentation:
1 Agentur (Event-Agentur, notabene; oder besser: unverständlicherweise) lieferte gar nicht, stellte sich nur stotternd hin und vor (2 männliche Jung-Pappnasen)
1 mittelgroße Agentur aus der Region lieferte über 60 Minuten lang PR-Strategie (war nicht angefragt), und sagte aber auch nicht klar, warum (Das wär’s gewesen: einen Ausreißer liefern und sauber begründen: gewonnen! Denn die zu bewerbende Region hat(te) gute PR bitter nötig statt der derzeit stümperhaften Öffentlichkeitsarbeit).

Keine der vorgeladenen Agenturen (außer der befreundeten) sagte, warum der vom Auftraggeber gewünschte Claim sinnlos ist, da schon bei der Konkurrenz vorhanden.

Allerdings auch kein Wunder, liebe Freunde von der Werbefront: Für einen Pitch, der nix kosten darf, sollte man sich bei der Markt- und Umfeldrecherche auch nicht zu sehr anstrengen, da unwirtschaftlich :)

Oder andersrum gesagt: Wat nix kost, dat is auch nix.
(Bis auf meine befreundete Agentur, die hat sich echt angestrengt.)

Das Ding ging weiter: Man beschied freundlich, dass die befreundete Agentur in die 2. Runde käme.

Hä, 2. Runde? Nochmal? Und warum?

Es war nie die Rede davon, dass man das Gleiche nochmal vor einem komplett anderen Gremium präsentieren soll (mangelnde Transparenz = grober Fehler Nr. 2 des Auftraggebers, wo ich heute noch nicht weiß, war das jetzt eine superlinke Frechheit, oder platte Unprofessionalität, aber grübeln half nix.)

Reaktion: Ooookeeey, man hat schon so viel Schweiß reingesteckt, da schmeißt jeder  – auch die befreundete Agentur am Rande des Städteles doch gern schlechtem noch gutes Geld hinterher. Konnte ich zu 70% sogar verstehen… wer bis hierher kam… der gab nicht mehr auf…

Der Knaller:
Die vortragende befreundete Agentur wurde mitten im Vortrag von Leads des 2. Gremiums übelst angegriffen, weil sie aus einem stellenweise kritischen Vermarktungskonzept der Region zitierte, welches mit Steuergeldern finanziert (Uni Bayreuth) und mit dem Namen des in dem Präsentionsvortrag sich in der Versammlung merkwürdig hochnotaggressiv aufführenden Landrat bestückt war. (Vermutlich wurden die Handouts aus der ersten Präsentation dem 2. Gremium, bestehend aus Landräten und Bürgermeistern) ausgehändigt, da konnten sie sich sauber darauf einschießen. Über das Logo sprach…  keiner.

Es kam, wie es kommen musste:
Selbstverständlich wurde das Konzept der befreundeten Agentur abgelehnt. Eine andere Agentur, die null Marketing-Analyse anbot, dafür ein grob unverständliches Logo mit einem schwarzen Steinhaufen plus dem unbrauchbaren Claim, wurde genommen.

Die Lehre daraus:
Mache kein fundiertes Marketing.
Schlage auch keine bitter-nötige PR-Strategie vor.

Der Kunde will das alles nicht wissen. Er will bunte Bildchen.
Und wenn er die nicht schmerzlos kriegt, weil mit unbequemen Marketing-Analysen verbunden (die er zwar anforderte, weil… Marketing, des schicke Butzwort, socht mer heutzutoch halt so), nimmt er zur Not und als Ausweg auch unbunte Bildchen. Hauptsach’ verschwommene Bildchen, Hauptsach’ harmlos, Hauptsach’ es fällt nicht auf. Wo wir beim wichtigsten Wunsch von KMU über Werbung wären:

Lieber einen schwarzen Steinhaufen (plus unglaublichem Claim, den es bei der Konkurrenz schon gibt.)

Designer, lass dir das gesagt sein und krieche weiter im Staub: Erfolg hat nur der, der so unklar bleibt wie sein Kunde (Regel Nr. 1: birds if the same feather!). Vor allem, wenn er gar nix dafür gekriegt hat, die Lusche.

Der Auftraggeber in Form einer hilflos agierenden Geschäftsführerin, vor deren Professionalität ich mich verneige Biggrin_13 und alle anderen üblichen Verdächtigen: wenn sie nicht vor Scham gestorben oder gefeuert sind, so leben sie noch heute…

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Heute, 3 Monate später:
Das neue Logo gibt es immer noch nicht im Auftritt, weder auf der immer noch unglaublich schlecht gemachten Website, noch anderswo in Print. Das Event, auf dem es Mitte September hätte vorgestellt werden müssen, gab es auch nicht.

Dafür war aber die Präsentation sauknapp und verdammt dringend, wie?
Danke, lieber Auftraggeber, aber verarschen können sich Werbeagenturen in Zukunft besser alleine mit sich selbst – und viel lustiger.
Da professionell gelernt.

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Besser ist das: Pitch-Guide.
Wie man pitchen lässt, Handlungsempfehlungen für Werbetreibende und Agenturen.
Eat it.

Wie umwerbe ich eine Frau?

So?

Hirnbach_1

Sollte diese hochinteressante Frage an meinen Mann abgeben, aber der liest gerade Kerner & Beckmann. (= wirbt gerade nicht, im spar-mode)

2 von 3 Frauen fühlen sich laut Media Analyzer nicht von der Werbung angesprochen. Gefunden in der Süddeutschen.

Frauen behaupten, sie wüssten, was sie wollten, aber gehen ständig zum
Umtauschen. Da stimmt was nich, dachten sich die Ogilvys  – recht
so! – und ließen das untersuchen in der Studie "Insight/Outsight Women". Ketzerischer Gedanke: Vielleicht liegt es einfach nur an der schlechten Qualität von Schuhen oder Hosen. Mein Mann probiert max. eine oder zwei Hosen aus und die sind es dann, egal ob sie zwicken oder schlabbern.

Ergebnis der Studie, Frauen seien vielschichtig, kompliziert, widersprüchlich, unverständlich, ärgerlich, spannend – eine echte Herausforderung.

Empfehle wie immer, beim Marketing die Kirche im Dorf zu lassen. Am End liegt’s nicht soooo sehr am Marketing, sondern multifaktoriell woanders: Industrie-Nahrungsmittel, IT-Murks, giftiges, kantiges Spielzeug und schnell abgewetzte Stoffe aus Asien. Da bin ich auch gern sehr vielschichtig unterwegs, nämlich umtauschend, bis der Arzt kommt. Oder Kaufverweigerung. Das ist nicht widersprüchlich, das ist geradlinig wie nix :=)

Ein Schritt in die richtige Richtung? Online-Werbung, die sich dem redaktionellen Inhalt anpasst.

Ein Traum der Werber, näher an die Zielgruppe ran zu kommen, rückt näher. Das Planungssystem
„Contact“ der Münchner Newmedia-Agentur Plan.Net kann vorbestimmte „Schlüsselwörter“ im redaktionellen Kontext aufspüren und die inhaltlich passende Werbung dazu auf dem Bildschirm flexibel ausgeben. Das ging bis jetzt nur bei wenigen online-Portalen. (Quelle: acquisa – Das Magazin für Marketing und Vertrieb.)

Der Weg in die Richtung erwünschte Werbeinformationen ist dennoch noch weit. Eine Software kann nicht vorhersagen, ob nicht beispielsweise das Schlüsselwort "Uhr" die Uhrzeit in Oz meinte, statt des Produktes Uhr. Stell ich mir knuffig vor, wenn einem dann Banner und Werbeanzeigen für Wempe, fossil oder 
Patek Philippe entgegenflappern.

Bis es soweit ist, dass so eine Software Keyword Cluster oder ganze Phrasen erkennen kann, werde ich Popups ausgeschaltet lassen, die ekelhaften Telekom-Layer, wo ich das Kästchen zum Wegbeamen nicht finde mit Tippex wegmachen, und sämtliche Steinzeit-Banner übersehen. Meinen Kunden, die Dienstleistungen anbieten, die über Vertrauen und Face-to face laufen, biete ich derzeit bis dahin an, ein attraktiveres Image aufzubauen. Ihre Kunden werden es Ihnen danken.

Jetzt zum Wetter.

Me, myself and I

Da haben wir es: Der Kunde will sich selbst sehen.

McDonalds hat es dann auch langsam erkannt. Auf Tüten und Bechern gibt’s ab 2007 neben dem Spruch "Ich liebe es" Kunden zu sehen mit Gesicht und Statement. Unter den 25 ausgewählten Bewerbern sind auch zwei deutsche Teilnehmer: xxx Z., 22, aus XXXX und yyy L., 23, aus YYYY.

Die Pressenotiz von McD weiß: "Die Bewerberzahlen waren weit höher als erwartet." Jetzt will ich wissen, wieviel genau. War ja ein global casting, da kann man doch mit Zahlen nur so rumschmeißen… Ähm, dann waren’s doch nicht so viele.

"Ich liebe es" auf den Fotos der Geblitzten wär noch ne Idee.

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Natürlich hat die Sache nicht nur Satire-Potenzial:
Auf der Tüte des Bäckers nebenan, der noch authentisch selber backt, ist das wirklich eine Superidee. Und auch auf den Edel-Bechern von the missing link kommen die Köpfe unserer Kunden bestens. (Der Becher ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann).

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