Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Bei uns unterm Sofa (Seite 2 von 7)

Endlich enthüllt: Warum aus mir nichts geworden ist

Aus einer Kleinstadt zu stammen muss ein verbreitetes Schicksal sein; besteht Deutschland ja zur Hauptsache nicht aus seinen paar Metropolen, sondern aus der endlosen Steppe dazwischen, die im unbeholfenen Jargon der Eingeborenen (“Deutsch“) Provinz heißt.

Wenn man schon zwischen Stadtkindern und Landeiern unterscheiden muss, ist man als gebürtiger Kleinstädter in urbanen Umgebungen immer der einzige, der die Leute fragt, ob sie bei den Schützen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr sind, und auf dem Land der einzige, der seit Jahrzehnten mit keinem Luftgewehr mehr geschossen hat, nicht am Motorengeräusch erkennt, dass in sieben Minuten der Metzen-Willi seinen Birngeist vorfinden will, und in der Stube rückwärts über den schlafenden Hund stolpert.

“Kann man”, fragt Vroni, “kann man das nicht auch so sehen, dass man auf dem goldenen Mittelweg geboren ist und sein Leben lang aus the best of two worlds besteht?”

“Kann man schon”, sag ich.

“Wolfwolfwolf.”

Soundtrack: Lael Neale: For No One For Now,
aus: Acquainted with Night, 2021.
Das ist die mit dem Omnichord; siehe
ihre Würdigungen im Zündfunk und im Tagesspiegel:

Beiträge zur allgemeinen Wertschätzung von Textarbeiten

“Mein Verleser der Woche”, erzähle ich Vroni, “war: Bruchlandung statt Buchhandlung.”

“Angeber”, sagt sie, “was soll denn da der Unterschied sein?”

“Pf. Was war denn deiner?”

Sinnlose Unmöglichkeiten statt kontaktlose Impfmöglichkeiten.”

“Aber ich bin der Angeber, gell.”

Soundtrack: Riddy Arman: Spirits, Angels, or Lies,
aus: Riddy Arman, 2021:

Die Blätter

Update zu Das erste Frühlingsgedicht 2018:

Lenz

Der erste Vogel kam geflogen,
Bevor die Blumen blühten.
Und ich streife über Wiesen,
Weil sich’s weich verweilt auf diesen —
Lauer Wind streicht durch die Blätter
Ringsumher.

Herbst

Alle Vögel sind verzogen
Wohl in den heißen Süden.
Unaufhörlich muss ich niesen,
Weil die Fenster nicht mehr schließen —
Rauher Wind treibt braune Blätter
Vor sich her.

Vroni meint: “Wieso ‘Die Blätter’? Wieso nicht ‘Der Wind’ als handelndes Subjekt?

“Ich hab sogar ‘Perpetuum’ erwogen”, sag ich.

“Okay, Blätter.”

Soundtrack: Mariee Sioux: Swimming Through Stone,
aus: Gift for the End, 2012:

Und Pimentkörner

Update zu Nix diese
und Goethes Kindergartenfutter:

Petersil und Suppenkraut
gerebelt von Hela, Mautner, Ostmann
im Regal neben den frischen
Koriander, Blätterknoblauch, Portulak
in Plastiktöpfen auf einem Tablett,
in dem das Gießwasser unter
den Klarsichtfolien schwimmt,
und die türkischen Verkäufer
haben keine Ahnung, wer
oder was ein Liebstöckel ist,
haben aber gelernt, dass
“Wollen verarschen?”
nicht im Repertoire
der Kundenberatung vorkommt,
Frau Aja hätte aber
gelten lassen, was da ist,
und mich meine Laubfrösche kochen lassen,
wie es geht,
und aus ihrem
Buben ist damit auch noch was geworden.

Fachliteratur: Renate Hücking: Mit Goethe im Garten: Inspiration und grünes Wissen aus den Gärten der Goethezeit, Verlag Georg D. W. Callwey GmbH & Co. KR, München 2013, vor allem Seite 22:

Laubfrösche — ein Gericht aus Kindertagen

Zutaten
12 Mangoldblätter,
2 (altbackene) Brötchen,
1 Zwiebel,
2 Knoblauchzehen,
2 EL Butter,
1 Bund Petersilie,
2 Eier,
2 Zweige Liebstöckel,
300 g Hackfleisch,
Salz,
Pfeffer,
Pimentkörner,
½ l Gemüsebrühe

Die Mangoldblätter werden entstielt, gewaschen und mit kochendem Wasser überbrüht. Danach solten sie in eiskaltem Wasser abgeschreckt werden und gut abtropfen.

Für die Füllung wird die fein gewürfelte Zwiebel mit dem Knoblauch in Butter weich gedünstet — ohne sie zu bräunen. Die Brötchen in Wasser oder Milch einweichen und ausdrücken. Dazu gibt man die Eier, die gehackten Kräuter und das Fleisch. Alles sollte gut gewürzt und gründlich miteinander vermengt werden. Etwa ein Löffel dieser Masse wird auf ein Mangoldblatt gegeben und darin eingewickelt. Jetzt werden die “Laubfrösche” mit Mehl bestäubt, in der Pfanne kurz angebraten und dabei vorsichtig gewendet. Zum Schluss mit Brühe auffüllen und die Wickel etwa 20 Minuten darin garen lassen.

Eine Variante: Die Blätter mit einer Masse aus 2 Eiern, Semmelmehl und frischen Gartenkräutern füllen, mit Mehl bestäuben und anbraten. Dazu werden Bratwürste gereicht.

Soundtrack: Theodor Shitstorm im Garten von Pogel und Marion:
Ratgeberlied aus: Sie werden dich lieben, 2018,
mit der einzig richtigen Anweisung für Kochrezepte:

So weit meine Ratschläge, merk sie dir gut:
Es ist wichtig, dass man das exakte Gegenteil tut.

Der Text ist raffiniert genug für die volle Lautstärke und das Video für den Vollbildmodus:

Und morgen versuchen wir dann, drei vollständige Staffeln durchzubingen

Rest des Nachmittags : faul und bösartig. (Wie Gott vor der Schöpfung).

Arno Schmidt: Brand’s Haide, 1951; BA I,1,136.

Na bitte: den ganzen Tag
          kein Spaß und keine
                    neuen Katastrophen.

Geht doch —
          für einen Tag, an dem
                    man aufgestanden ist.

Soundtrack: The Secret Sisters: He’s Fine,
aus: You Don’t Own Me Anymore, 2017:

Lautsprechermatsch

Herbstln duats: Im Supermarkt besteht die Obstauswahl hauptsächlich aus Erdbeermatsch und Kirschenmarmelade mit Stielen. Und beim Reparieren hab ich den Ersatzlautsprecher für den Laptop, der zugleich der Fernseher des Hauses ist, geschrottet. Das war nötig, weil sich nach zwei Fehllieferungen von Ersatzteilen aus dem großen, stolzen, fernen Guangzhou der alte immer noch nicht von selber reparieren wollte. Also neuen Ersatzlautsprecher bestellt, damit man die anderen zwei, die seit zehn Jahren den Schreibtisch blockieren, mit besserem oder mit schlechterem Gewissen wegschmeißen kann, je nachdem, wie man sich’s schönredet. Momentan wird mit einem regenschirmförmigen portablen Soundelement beschallt. Macht aber nix angesichts der Geldmengen, die man sparen kann, weil das letzte erreichbare Antiquariat in der Schellingstraße doch noch dicht gemacht hat.

Tag 2 ohne Duolingo

Soviet Visuals, Цирк уехал, клоуны осталисьDass der Entzug nicht einfach so ohne Turkey abgehen könnte, wurde mir gesagt. “You started learning with Duolingo 1 year ago. Keep up the good work!” schreiben sie mir bis jetzt noch kooperativ, als ob sie nicht ahnten, dass ich nach einem Jahr im Status eines “Wildfire” in der “Amethyst Legaue” mit voller Absicht aussteigen will. Das Härteste wird, ihren täglich anstehenden Sirenengesangseinlagen zu widerstehen, dass ich doch weiterlernen soll, nur weil ich zufällig motiviert wäre. Was sie nicht wissen: Motiviert war ich nicht mal am ersten Tag von den 365. Das wird sich auch nicht so schnell ändern, wenn mich bis heute jede Hotel-Azubimaus auslacht, sobald ich beim Reinkommen привет sag, und nein, das hatte nie “was mit Corona” zu tun, sondern mit einem gewissen Ehrgeiz, auf meine alten Tage noch Чехов im Original zu lesen. Was hab ich mir wohl je eingebildet, wen ein Golden Ager noch kennenlernen sollte, mit dem er Russisch reden muss — und warum er jemanden kennenlernen will, der kein Englisch kann? Nächstes Mal fang ich Monolingo an, falls es die gibt; bei denen bleibt man einsprachig und hält gesittet die Klappe, wie man es als allererstes gelernt hat.

Kommt gerade rein, während ich das schreibe: Betreff “That 365 day streak is seriously impressive. Duo’s advice? Practice Russian today!”

Sie kommen.

Цирк уехал, клоуны остались.

Bild: Soviet Visuals: “The circus is gone, but the clowns remain: Popular Russian expression to describe people who are acting in a strange or absurd way”, 29. Mai 2021.

Lifehack: Torte für noch einen Tag früher bestellen, dafür mehr Schnaps anschaffen

Wir haben ja, falls uns jemand schon immer mal was schenken wollte, im Abstand von zwei Tagen — und ich sag jetzt nicht, wie vielen Jahren — Geburtstag. Zwei dickschädelige, genusssüchtige Stiere im selben Haushalt, das kann ja nicht gutgehen, dafür können Sie uns einmal was Großes stiften, statt sich zweimal was Mickriges zu überlegen.

Vroni ist auch heuer wieder Erste, ich muss also mit dem Geschenk vorlegen. Torte. Torte ist immer gut, vor allem für genusssüchtige Stiere. Buttercreme, Schwarzwälder Kirsch mit dem nötigen Schuss Kirschwasser. Natürlich online bestellt, weil wir wegen drohendem Verwandtschaftsbefall die Wohnung nach allen bekannten Himmelsrichtungen putzen müssen und unsere Geburtstage auf mehrere Tage verteilt stundenweise feiern müssen. Gut so, da hat man länger was davon, die Katzen werden vom Staubsauger mal wieder zur ihnen anstehenden Demut angehalten, und eigentlich haben wir, falls sie mitliest, unsere Verwandtschaft ja recht lieb.

Die Torte wird am angeklickten Wunsch-Liefertermin mit unschlagbarer Zuverlässigkeit natürlich nicht geliefert. Der Puffertag vorher war blind und nicht anklickbar, vielleicht haben ja am 3. Mai ja besonders viele Leute Geburtstag oder einen vorausplanbaren Schmacht auf Buttercremetorten. Macht nix, wir überblicken vor lauter Staubsaugen und nebelfeuchtem Nachwischen an den gesaugten Stellen sowieso kein Datum mehr, außerdem soll das Ding voll Schnaps sein, damit werden einem eh viel mehr Sachen wurschtegal, da nehmen wir am Puffertag zwischen unser beider Gruftigedächtnisterminen kleine Gaben Alkohols dankbar entgegen.

Bei Redaktionsschluss hielten die Reinigungsarbeiten noch an, nicht anders als die Alkoholzufuhr nach den allzu geringen Dosen, die in einer mehr oder weniger anklickbaren Schwarzwälder Kirschtorte enthalten sind. There is no such thing as too much schnaps in the house, sagen die Chinesen, was aber ein Übersetzungsfehler sein kann.

Was würdet ihr uns schenken? Würdet ihr es unkompliziert überweisen können oder würde jemand es mühsam basteln müssen? Wie viel Schnaps gehört in eine Torte und wie viel in einen genusssüchtigen Stier? Schreibt’s uns in die Kommentare, lasst uns’n Like und’n Abo da und folgt uns für mehr Lifehacks!

Soundtrack: Ярослав Сумишевский featuring die фолк-группа “Клевер” mit dem funkelnden Kristall unter den russischen Volksliedern: Ой, то не вечер ab ca. 1880, vermutlich Ende 2017 live aufgenommen unter erschwerten Bedingungen des Verwandtschaftsbefalls (jedenfalls tut die фолк-группа erfolgreich so, als ob sie verwandt wäre), daher mit ihrem unverschämten Schmalz- und Schnulzfaktor die schönste Version, die ich mit meinen leider gar zu porösen Russischkenntnissen finden konnte. Und unsereins zahlt für Spotify und lässt die Quetsche im Keller verrosten. Und jetz’ alle:

I drink and I smoke, I play music with friends

Diese Woche gelernt: Aldi lässt jetzt bei Oettinger brauen, wovon man sich auch nicht weniger Schädelweh zuzieht, und meine ganzen Helden passen auf ein Bild DIN A4, und da passt noch großflächig Efeu dazwischen.

Wenn ich endlich Herder von Wieland auf weniger als zwei Zentimeter unterscheiden kann, sprech ich nochmal auf einer idyllischen Uni vor, Literatur muss ganz lustig zu studieren sein (entgegen einem verbreiteten Vorurteil hab ich Linguistik studiert); dafür hab ich jetzt das wahrscheinlich einzige Bild von Günter Stössel südlich der Altmühl an der Wand.

Merke: Schädelweh rentiert sich immer für irgendwas.

Soundtrack: Krista Shows: Full of Sin, aus: Prone to Wander, 2020:

I am a girl that’s full of sin
I’ve done some harm, less outward than in
I drink and I smoke, I play music with friends
I have no regard, my mercy runs thin

Meinetwegen lasst’s halt steh

Wenn man seine ganzen steinalten Langspielplatten — in diesem Fall die Globetrottel Rag von Günter Stössel — nicht bis zur selbsttätigen Entrümpelung aufhebt: Das wirklich anrührend schöne Lied Goldbach City existiert nur in dieser einen Live-Aufnahme von 1976 aus einem nicht überlieferten Wirtshaus, in sämtlichen Restaurierungen und Neuanordnungen ist der gesprochene Vorspann abgeschnitten. Das heißt, es kommt nicht mehr zur Geltung, dass die beschriebene Unternehmung das historische Pilotprojekt avant la lettre für den Abenteuerspielplatz Goldbachwiese am Zabo, nein: in Nürnberg-Zerzabelshof war. Den gezupften Turnaround hab ich dereinst jahrelang immer mal wieder auf der Klampfe geübt, bin mir aber bis heute nicht sicher, ob das nicht ein Banjo ist:

Wie ich darauf komme? Nun ja, weil wir diese Woche unter Aufbietung unseres gesamten Repertoires an fränkischen, bairischen und internationalen Flüchen eine neue Tastatur und, schlimmer: eine neue Festplatte in den Laptop eingebaut — besonderer Dank an die IT-Vroni — und im Gefolge Windows 10 neuinstalliert und jedes Fitzelchen wieder draufgespielt haben, denn man sieht ja, was passiert, wenn man nicht seine ganzen steinalten Langspielplatten und Word-98-.rtfs aufhebt.

Und plötzlich sehnt man sich zurück in die Zeit nicht etwa vor dem Internet, sondern vor der Gutenbergischen Wende in der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken. Da haben die Leute nämlich ein für alle Male ein Jahresgehalt für ihr persönliches Stundenbuch angespart, und da stand dann alles drin, was man wissen musste. Jedenfalls alles, was einen was angeht. Wenn’s gebrannt hat, war das die o. a. selbsttätige Entrümpelung, und man hatte andere Sorgen als ob in einen Blues ein Barré oder gar keiner hineingehört:

Bonus Track: Günter Stössel. One Barré Only, aus: Schdrohwitwer Blues, 1975, das Pilotprojekt zur späteren Ballade vom Leberschrumpf, weil ich das auch selber halbwegs kann:

Katersachen

Zwei Katzen im Hinterhof
der Größe nach Kater
der inneren wie äußeren
Prominenz

ein kohlrabenschwarzer
ein geringelter
gehen jeder für sich
ihren Geschäften nach

Ein Schleichen und Schnüffeln
ein Schlendern und Patrouillieren
zwischen ruhenden Fahrrädern
und Frühlingsbepflanzung

verfolgen sie jedes Rascheln
im Efeu das eine Maus
sein könnte aber meistens
ein Falter auf der Flucht

Ab und zu begegnen sie sich grüßen
sich mit den Nasen Kollegen im Einsatz
gehen Katzengeschäften nach
machen Katersachen

Die Blausterne stehen schön gegen
die Osterglocken die Pfingstrosen sind
noch lange nicht soweit die Bäumchen
noch kaum Blätter ein Gebüsch aus Goldlack

Die zwei wichtigsten Herren sämtlicher
Hinterhöfe die sie kennen nur den einen
aber den genau mit allen Neuigkeiten des Tages
lassen einander gelten so ist der Job

Alarmbereitschaft wenn in einem oberen
Stockwerk ein Senkrechtgeher in Deckung
die Balkontür aufknarzt Schnurrhaare
voraus Augen auf Murmelgröße Hals ausfahren

ein Zittern durch zwei gespannte
Katerkörper vorsichtshalber auf Angriff
gehen gegenseitig die Breitseiten
zeigen jeder ist verdächtig

Hupf hupf doing doing Tatze aufs
Haupt den Eckzahn blitzen lassen
eine Drohung in Ultraschall und zu zweit
übereinander hopplahopp durchs Wohnungsfenster

 

Die Bitterlinge sind begeistert von den Kupferwerten

Die Wasserwerte sind da. Vom Labor bestellt und bitter bezahlt. Außer einigen selten auftretenden Image-Werbeplakaten der Münchner Stadtwerke für ihr wunder wie tolles Leitungswasser erzählt einem ja keiner was über das Lebensmittel, das man am meisten verwendet. Außer Chips natürlich, aber der Mineralgehalt müsste ähnlich sein.

Wer Münchner Leitungswasser, von Braumeistern der Stadtwerke liebevoll frotzelnd “M-Wasser” genannt, bisher für eine nachlässig gesättigte Kalklösung hielt, kann aufatmen und weitersaufen: Der Kalkgehalt ist keinesfalls höher als in den Schalen von Bio-Eiern. Kupferwerte hab ich bisher für etwas gehalten, das man nach dem Einkaufen in eine alte Asbach-Uralt-Flasche klimpern lässt, praktisch zu vernachlässigen sind Nitrat und Nitrit. Ich hab keine Ahnung, was das ist, aber ich verwechsle ja auch Manet und Monet. Unter dem psychogenen Grenzwert liegen auch Bor und noch irgendwas.

Sorgen muss man sich machen um Nickel und Blei. Dass Blei nicht in Leuten vorkommen sollte, lernt man ja schon als kleiner Bub, wenn man durchs Wohnzimmerschlüsselloch den Spätwestern mitguckt. Und vor allem Leute wie ich, sagt Vroni, die mit Müdigkeit, körperlicher Schwäche, Depression und noch irgendwas zu kämpfen haben…

“Mit Vergesslichkeit, Wolf”, hilft Vroni aus, “mit Vergesslichkeit!”

Sag ich doch, aber jetzt weiß ich nicht mehr, was ich wollte.

Soundtrack zum Bleigehalt: Tim Blake Nelson: Cool Clear Water,
aus: The Ballad of Buster Scruggs, 2018:

Du hörst nicht auf zu kämpfen, wenn du keine Lust mehr hast, sondern wenn der Bär keine Lust mehr hat

Diese Woche gelernt:

Die schlechte Nachricht: Ernährung durch Essen ist in den wenigsten Fällen ratsam. Die gute Nachricht: Sie ist auch nicht ernsthaft möglich.

Internet ist wie Krieg: Keiner macht mit, weil es für irgendwas gut wäre, sondern weil alle mitmachen müssen.

Wie das zusammenhängt? Bestimmt irgendwie, aber ich wünsche uns allen, gar nicht.

Soundtrack: Nora Brown: Omer Forster: Flowery Girls, 7. Februar 2021.
Lerninhalt 3: Brooklyn hat auch schöne Ecken:

Bring on the magic of that old-fashioned love

And here comes my girl
She’s all dressed in promise
She takes the old world
She makes it brand new.

I Draw Slow: Same Old Dress Will Do, 2017.

Wir brauchen noch mindestens ein Jahr Lockdown, sonst werden wir mit nichts fertig.

Mit der Arbeit sowieso nicht, die höret nimmer auf; mit der Freizeit schon gleich gar nicht. Wobei es mehr Spaß macht, letztere zu optimieren: Andere Leute haben daheim eine Nebelmaschine, alles von Grateful Dead auf Vinyl und ausreichende Mengen Bier, das trägt schon mal recht weit. Ins Jahr 1968 oder sonst eins von den Jahren, auf die es ankommt, zum Beispiel.

Unsereins hat daheim nicht mal eine Kaffeemaschine, dafür einen Spotify-Account gratis voller Werbung und bis jetzt noch ausreichende Mengen Leitungswasser, das trägt einen jeden Tag ein paar entscheidende Minuten später an einen gedeckten Frühstückstisch. Bei gleichbleibender Zeitverschiebung müssten wir nächstes Jahr um diese Zeit wieder so frühstücken, dass man am Abend wieder guten Gewissens anfängt, über Bier nachzudenken.

“Lockdown” heißt doch, dass einer sich niedersetzt und abgedichtet wird, oder nicht?

Soundtrack: I Draw Slow: Same Old Dress Will Do,
aus: Turn Your Face to the Sun, 2017:

Und ihr so?

Wie Heiligabend war? An dem haben wir wie immer — wie immer an Heiligen Abenden, mein ich — am Heiligen Abend haben wir also wie immer eine Ente gebraten, die Ente darf man also schon mal nicht fragen.

Traditionell — das heißt: seit Franz Messner nicht mehr seine vielstündige, sensibel kuratierte Weihnachtsmischung auf Bayern 1 ausschüttet — legen wir dazu die Lola Versus Powerman and the Moneygoround, Part One auf, viel eher wegen Strangers als wegen Lola, danach kommt eine überhaupt nicht sensibel kuratierte, sondern algorithmisch zusammengekleisterte Playlist mit Hippiegeschrammel.

Um nicht den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren — sagen wir’s mal so: unsere Weihnachtspost bestand aus der Telefonrechnung — hören wir zwischendrin vorsichtshalber Radio: Rundfunkstationen gehören zum Letzten, was im Verteidigungsfall kapeister geht, und die Nachrichten zur vollen Stunde stiften ein Urvertrauen zum Leben und zur Welt, viel eher wegen ihres zuverlässigen Eintretens als wegen ihres Inhalts.

Kein Verteidigungsfall auf eigenem Boden, aber den üblichen affirmativen Erleichterungsschreien, dass dieses doofe Jahr 2020 ja ganz arg bald hinter uns liegt, folgt in den 23-Uhr-Nachrichten die Meldung: Coronavirus-Variante aus England erstmals in Deutschland nachgewiesen” — formuliert mit entschieden zu vielen “erstmals”, “bisher” und “vorläufig”. Die Schreibweise von B.1.1.7 wird man sich “vorläufig” merken müssen: Das erste Jahr der Pest ist nicht zwingend das letzte.

Fröhliche Weihnachtsreste und gedeihlichen Jahreswechsel.
Gott steh uns bei.

Wer die Melodie korrekt mitpfeifen kann, darf sich einen Keks nehmen:
Christina Bowers und Henry Toland: Strangers,
aus: The Kinks: Lola Versus Powerman
and the Moneygoround, Part One
, 1970.
Aufgenommen vermutlich Dezember 2015 in Orlando/Florida, und fast noch hypnotischer als das Original. Also fast. — Man beachte den Hund.

Meine Damen! Euer erster Nachname ist euer Signum überhaupt.

Ich denke ja immer …,

… dass es mir als Katze sehr wohl was sagt, wenn die Dame plötzlich nach Jahren der Heirat…  … ihren eigenen echten Nachnamen in den Nachnamen ihres Mannes ändert.

 

Es bloggt der Kater.

Im ersten Ehejahr strebt ein Mann die Vorherrschaft an. George Bernard Shaw

 

Habe das persönlich dreimal  – etwas zu viel nach meiner unmaßgeblichen Meinung – erlebt, dass Damen mehr oder weniger kurz nach ihrem erfrischend emanzipatorischen Dazutun, ihren angeborenen Nachnamen zu behalten, plötzlich umkehren. Und wie der Kasper aus der Büx den Nachnamen ihres Mannes annehmen. Sachma.

 

Ehe: gegenseitige Freiheitsberaubung im beiderseitigen Einvernehmen.

Oscar Wilde

 

 

Was soll ich höflich sagen, Ladies: Ihr habt sie einfach nicht mehr alle!

Andersum: Habe noch keinen Ehemann gesehen, der nach wenigen Monaten der Heirat seinen eigenen guten Namen auf den seiner Gattin ändert. Merkt euch das. Finally write that down. Remember this.

 

Im zweiten kämpft er [der Ehemann] um die Gleichberechtigung. George Bernard Shaw

So geht’s dahin.

 

Ab dem dritten ringt er um die nackte Existenz. Ebenfalls George Bernard Shaw

 

 

Gruß
Der Kater

Ich weiß halt nicht.
Nicht einmal surfen nach euch aus der früheren Schulklasse gelingt mir, weil ihr alle mit irgendeinem Kerl verheiratet seid, dessen Nachnamen keiner kennt. Oder wart: mit dem ihr mal verheiratet wart. Und dessen Nachnamen ihr schlimmerweise against all odds behalten habt.

 

In Trauer über eure Mis-Emanzipation

Euer Kater

 

 

 

Metablogging

Tausendundein Artikel

Isarfräulein

“Weißt du, was du letzte Woche gemacht hast?”

“Mich jedenfalls nicht am Isartalbahnweg rumgetrieben und heimlich fremde Isarfräulein fotografiert.”

“Die tragen doch heut alle ihren Zensurbalken von Natur aus im Gesicht.”

“Aber im Gegensatz zu dir Design-Kundschaft herbeigeschafft?”

“Und den tausendsten Blog-Artikel veröffentlicht.”

“Tausend? Echt? Schon?”

“Schon ist gut. Da arbeiten wir seit 17. Oktober 2005 drauf zu.”

“Tausend Einträge in nicht ganz fünfzehn Jahren. Wow, wir sind sowas von die Textmaschine.”

“Fünfzehn Jahre sind so mittelfleißig. Tausendundeine Nacht …”

“Nächte, du Hilfsgermanist.”

“1001 Nächte dauern nicht mal drei Jahre.”

“Du meinst hinereinander am Stück.”

“Wenn man’s mal so sagt, war’s wieder langsam.”

“Dann sag’s halt anders.”

“Okay: Der versprochene eine Artikel pro Woche hätte nach über neunzehn Jahren seine Nummer 1000 erreichen müssen.”

“Wenn man’s mal so sagt, war’s wieder schnell.”

“Könnte aber schneller gehen.”

“Wir waren immer die Besten, nicht die Schnellsten.”

“Und Quantität und Qualität müssen sich ausschließen?”

“So kennen wir uns. Wolfwolfwolf.”

Isarfräulein Aborte

Buidln: Sejwagmacht, 23. Juli 2020.

Soundtrack: The Proclaimers: I’m Gonna Be (500 Miles),
aus: Sunshine on Leith, 1988.

Wenn das Hamstern vorüber ist

“Ich tät ja was essen, wenn ich nicht so gestopft wär.”

“Das ist jetzt wieder ein Satz. Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.”

“Borps. Bloß nicht.”

Soundtrack aus dem womöglich unterschätztesten
aller Youtube-Kanäle BEK:
Как во славном городе, live im August 2019:

Да тошно-горько с таким мужем жить,
Да тошней-горчей да как нету никакого.

Coronavirus revisited. Oder als der Kater neu über den Kühlschrank nachdachte.

Kaminkehrer-Befall und die Kühlschrank-Chinchillas

Der Kater bloggt.

 

Frühling ist die schöne Jahreszeit, in der der Winterschlaf aufhört und die Frühjahrsmüdigkeit beginnt.

Emanuel Geibel

 

Der Frühblüher Winterling in unserem WEG-Garten unter frischem Schnee-Zylinderhut

Die Katerbrüder Murr und Merlin im Vorfrühling – zwecks der besseren Sichtbarkeit jeder mit seinem in China gefertigten Hunde-Leuchtband

 

Wie jedes Jahr im Frühling kommt bei uns als Frühlingsankünder nicht der schwarze Star mit seiner geperlten Brust – schön wär’s *mit den Zähnchen gierig klapper*. Nein, der Kaminkera. Mit Zylinder (diesmal echt wirklich mit). Der tirilliert gemeinhin neda.

(Transl.: Kaminkehrer). Im sehr frühem Frühjahr.

Wie jedes Jahr mögen wir Kater es nicht, wenn früh um sieben Stiefeltritte von Schwarzgekleideten durch die Wohnung klappern. Könnt sonst was sein, SS oder SEK, KPdSU oder KPCH. Suchen ein sehr! entferntes Körbchen auf.

Um so netter dann der endlich Erschienene. Blutjung und ein hübscher junger Mann, mit Zylinder auf und Handschlag (Corona-Alarm! aber bringt Glück) und aus Straubing aber um Elfe erst. Weil er – im Unterschied zu den vorigen Kamin-Schwarzkünstlern – die Eigenheit pflegte, anders als sie in den oberen Stockwerken anzufangen. Zwengs der Übersichtlichkeit, sagt er. Ein verhinderter Pilot vermutlich. Wir wohnen ganz unten.

Und warteten uns den Wolf. Die Öfen bullerten seit vier Stunden, weil sie zu diesem Behufe an sein müssen. Die Hitze in der Wohnung näherte sich Beduinen-Bedingungen. Die Öfen warteten so seit sieben ihrer Wartung.

Mit Zylinder auf kam er. Um elfe. Mei.

Das Katzvolk, mein Bruder also und ich, hat sich schwer versteckt. Das tut es immer, wenn Schwarzröcke die Wohnung stürmen. Sowas geht gar nicht.

Katz-Normalmodus. Ergebnis: Unser Schwedenkaminofen hat etwas zuviel ppm (Frauchen hat beim Schwedenofen vergessen, auch bei ihm die Druckluftdose ins Brennerbett zu halten, echt blöd). Dafür hatte der Niederländer die perfekten Werte. Bei dem hat sie’s gemacht, das verstehe wer will. Der Franzose steht am besten da, wird auch kaum beheizt. Der tut also eh nix, beißt net amal. Kunststück.

Der altgediente Vaillant-Durchlauferhitzer hatte das Problem, dass ihm seit Jahren der Wasserdurchflussknopf abgebrochen ist. Wolfemann ist verdächtig. Der hat immer zuviel Kraft.

Der abgebrochene Knopf war die Jahre aber nie ein Thema, Wasserdurchfluss so what. Diesmal hatte aber das Folgen in der Gehäuse-Wiederanbring-Physik.

Denn der zweite große Knopf weiter oben zum Flamme Einstellen war diesmal nur schlabberig anzubringen. Vorher hing er bombenfest. Alles, auch das Gehäuse hing nach der Kaminkera-Abhängung schräg und schlabberig herum. Shabby chic. Weil das Wasserdurchflussknöppi das Gehäuse nicht mehr fixierte. Sagte er. Weil er das komplette Gehäuse abgenommen und wieder draufgeknetet hat. Warum die Kaminkera immer das ganze Gehäuse abnehmen und erneut in die Führung reinschurigeln, versteht kein Kater nicht. Denn das Loch zum Messen ist im Ofenrohr weiter oben, hombres. Und genau da rein und nur da rein müssen die ihr teuer CO- und CO2-Messgerät halten.

Aber ich bin nur der Kater.

Jedenfalls hat Frauchen, als sie erfrischt nach des Kaminkeras Verschwinden am Flammenknopf rumdrehte, einen entscheidenden Fehler gemacht: Sie hielt ihn nicht fest. Den Knopf, nicht den Kaminkera.

So hüpfte das Chinateil mit einem dünnen Klirr auf die vermutlich ebenfalls in China gefertigten Villeroy & Boch-Teller und dann mit einem eleganten Schwung verächtlich hinter den China-Kühlschrank. Einfallswinkel istgleich Ausfallswinkel. Alles a bisserl Ding.

Das Billard-erprobte Frauchen konnte nur gelähmt zuschauen, aber nix machen. So schnell ging das.

Etzat ist der Flammenknopf unten hinterm Kühlschrank. Im Wollmaus- naja Chinchill-Staub vermutlich und macht ein sehr langes Sabattical.

 

Gruß
Der Kater

Ich komm auch nicht hintern Kühlschrank.
Bin beschäftigt, vorne die Tür aufzukriegen, hombre.

 

 

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