Für die Buslinie 62 innerhalb der Isarvorstadt ergeht vorläufige Entwarnung: Die nervige Umleitung zwischen Kapuzinerstraße und Zenettistraße ist aufgehoben.

Nicht dass bisher eine Haltestelle ausgefallen wäre. Nur eben, dass man von der Kapuziner- zur Zenettistraße unverstärkt hinüberschreien kann, dass der Bus schnell warten soll — was die Klientel des Tröpferlbades, das sich akkurat zwischen den zwei Haltestellen erstreckt, nächtens bestimmt auch öfter so handhabt — der Bus aber seit Anfang Oktober ständig am Penny abgebogen und über den Umweg über Tumblinger- und Zenettistraße weiter ist. In der Gegenrichtung übrigens nicht, weil sie wieder nur die halbe Straße saniert haben. Die Längshälfte.

Um sein Viertel kennenzulernen, war’s ganz praktisch. Oder wer kennt denn das Eck ums Arbeitsamt herum, wo es ein so inniges wie sinniges Ensemble mit dem Schlachthof bildet, außer solchen, die da hinmüssen und deshalb keinen Sinn für seine Schönheit entwickeln können? Lauschige 1-Euro-Läden, Geheimmetzgereien, die früh um viere auf und um sieben wieder zu machen, konspirative Messerschleifereien, im Straßenbegleitgrün hausen wirklich noch Spatzen, dahinter verrosten selbstgestaltete Firmenschilder obskurer Werbeagenturen, von denen kein Mensch jemals etwas hören wird. Was Stadtbilder angeht, eine Gemeinschaftsarbeit von Hieronymus Bosch und René Magritte.

Diese Woche in den letzten Zügen der Busumleitung: Der 62er hält am Eck Tumblinger-Zenetti. Lange. Tucker, tucker, tucker, räusper, pffschschsch. So lange, dass ich von meinem Buch aufschau, weil ich rechnerisch inzwischen längst rauchen sollte. Außer mir noch überschaubare zwei Fahrgäste. Der Busfahrer blättert ungelogen in einem Falk-Stadtplan. Die gibt’s noch.

Der Busfahrer steht auf, geht durch seine Sitze und mustert seine drei Fahrgäste auf Zurechnungsfähigkeit. Putzt seine ergraute Schnurrn, strafft seine gestreifte Hemdbrust und fragt in die Runde: “Wajß hyämand, wo lank diesä Umlajtung gäht?”

Allen Menschen, die noch reden können wie Fritz Muliar als braver Soldat Schwejk, gehört mein Herz. “Links die Zenetti lang, vorn wieder normal rechts gradaus auf die Thalkichner”, sag ich.

“Chat mir njimand ajngäwiesen”, sagt der Busfahrer und schiebt ab auf seinen Platz. Tucker, tucker, pffschschsch, Zenetti rechts Thalkirchner.

Schade, dass ich übernächste schon raus muss. So schnell kann ich mein Glück gar nicht fassen, einem Busfahrer im Einsatz den Weg erklärt zu haben. Ab 15. November bis Anfang Dezember sind noch ein paar Gelegenheiten: Vorläufige Entwarnung, hab i xagt.

Soundtrack: Andreas Dorau: Girls in Love,
aus: 70 Minuten Musik Ungeklärter Herkunft, 1997: