Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Mai 2016

Fühlingsolle

Jetzt, wo die Firma lange genug erloschen ist, kann man’s ja veröffentlichen: Die Anzeige aus den Nürnberger Kino-News (Rückseite, war bestimmt nicht billig) hab ich lange über meinen Arbeitsplatz in der Werbeagentur aufgenagelt, als Mahnmal zum Korrekturlesen. Außerdem war die kleine Schnelle auf dem Bild, die man bestimmt im Express treffen konnte (und wahrscheinlich sogar mal getroffen hat), ganz ansehnlich. Man schrieb 1994.

Fühjahrsmode reduziert, Bebop 1994

Bebop: Charlie Parker & Dizzy Gillespie: Hot House, April 1952.

Rente mit 173

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Jedenfalls im “Stil”-Teil der Süddeutschen. Da hat eine gewisse Susann Till aus der Hansestadt Stade vor vier Jahren ein Unternehmen gegründet: Sie kocht Chutneys ein und kann davon leben. Das steht so in Marten Rolff: Das Chutney ihres Lebens, Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2016. Ganzseitig, vier Farben.

Vor vier Jahren. Da war die Dame 69. Und weil das nicht reicht:

Susann Till hatte mehrere Rücken-Operationen, musste zeitweise ein Metallkorsett tragen, dann starb ihr Mann, sie selbst erlitt einen Schlaganfall, lag zehn Tage im Koma, Ärzte rieten zu einer dauerhaften Betreuungseinrichtung, da hatte sie die Sepsis noch gar nicht, die fast zur Amputation einer Hand geführt hätte und erneut Monate der Reha nach sich zog.

Sooo tapfer, das alte Mädel. Lässt sich nicht unterkriegen. Und fängt neu an. Zeigt’s den Hamsterwelpen in der sozialen Hängematte. Und nimmt nicht etwa einem jungen High Potential den Arbeitsplatz weg, sondern hat eine “nur fünf Quadratmeter kleine Küche aus den 70er-Jahren, die einfach weiß übergestrichen wurde”, in der sie locker ihre Arbeitstage von 18 Stunden wegbaggert.

Und vor allem: Hängt nicht zu Hause und schon gar nicht mehr in einem steuerfinanzierten Krankenhaus rum, sondern ist inzwischen 73 und bringt ihr eigenes Geld heim, statt das Geld des High Potentials seit zehn, wenn nicht gar zwanzig Jahren ins Wirtshaus zu tragen. Kocht Chutneys ein und muss — halt, nein, es muss heißen: und kann von ihrem Start-up leben.

Unsereins, privilegiert genug, um sich nicht etwa an eine Zeit des Komas, sondern nur, schlimm genug, an eine Kindheit zu erinnern, wurde seinerzeit traumatisiert von Vergleichen mit Wunderkindern wie Heintje, der auch-mal-jungen Mireille Mathieu, der von Almsick, der mit ihnen einhergehenden Beobachtung, dass man selber ja gar nichts könne, und nachfolgenden Aussagen wie “Was jetzt, Klavier spielen willst’? Ich werd dir gleich a Klavier gebm”, “Eislauf? Du willst, dass ich dir jeden Winter neue Schlittschuh kauf? A Schelln kannst ham”, “In an Sportverein willst’? Muss ich dich do wieder regelmäßig hin- und herkutschen?”

Akzeptiert wurden aus ideologischen Gründen der im Kuhdorf ansässige Kirchenchor und Malstudien, weil man Rückseiten von Reklamezetteln und Sparkassenkulis umsonst kriegt. Eine der Rentenpolitik nahestehende Presse, die uns soeben ganzseitig die Erwerbstätigkeit bis ins Greisenalter nach den Altersbeschwerden andient, spendiert mir bestimmt nicht mal “die kniehohen Töpfe, die nebeneinander kaum auf den Herd passen, oder die vielen Kräuterkisten auf der engen Terrasse” (cit. a.a.O.).

Um Gottes willen. Wenn ich je 69 werde und das die Auswahl ist, nehm ich den Schlaganfall.

Ersten Grades themenverwandter Soundtrack: Die Ärzte: Junge, aus: Jazz ist anders, 2007.

Ein Herz und ein Arsch in der Hose

My career is a complete mystery to me. It’s been a total surprise since the first day. I never thought I was going to be an actress; I never thought I was going to be in movies. I never thought it would all happen the way it did.

A. H., uncredited.

Vorgestern, am 4. Mai, wäre Audrey Hepburn 87 geworden.

Audrey Hepburn makes cake for No Nonsense with Nuwan Sen, 2nd birthday, via Rare Audrey HepburnAudrey Hepburn wurde 1929 als Enkelin eines Barons und Tochter eines Nazi-Sympathisanten im belgischen Ixelles oder Elsene geboren. Gerade deshalb verbrachte sie ihre Jugendjahre hauptsächlich mit unter Lebensgefahr abgehaltenen Ballett-Aufführungen im holländischen Untergrund (Anne Frank war keine sechs Wochen jünger als Hepburn), um Geld für die Widerstandsbewegung im Kampf gegen die Nazi-Besatzung aufzutreiben.

Mit einem einzigen Film begründete sie ihren Ruhm als Schauspielerin nachhaltig genug, um fortan als Hollywood-Klassikerin zu gelten. Sie war die insgesamt fünfte Künstlerin, die alle vier großen Preise der amerikanischen Unterhaltungsindustrie gewann: einen Oscar, einen Emmy, zwei Tony Awards und einen Grammy. Als erster gelang ihr das posthum. Mit zusätzlich der höchsten zivilen Auszeichnung der Vereinigten Staaten von Amerika, der Presidential Medal of Freedom, steht sie bisher weltweit einzig da.

1988, etwa 20 Jahre nach ihrer großen Karriere und ein Jahr vor ihrem allerletzten Film, wurde sie zur zur Sonderbotschafterin von UNICEF ernannt. Die Wohlfahrtsmarke Audrey Hepburn gilt als wertvollste moderne Briefmarke der Welt.

Im Gedächtnis der ganzen Welt wird Audrey Hepburn wohl auf ewig dafür fortleben, dass sie früher um die 20 mal ganz hübsch war.

Carraro, Audrey Hepburn at a London supermarket for a UNICEF campaign, 7. Mai 1989

Bilder: Audrey Hepburn makes cake for No Nonsense with Nuwan Sen, 2nd birthday, via Rare Audrey Hepburn, 1. Mai 2016;
Audrey Hepburn photographed by Carraro at a London supermarket for a UNICEF campaign in London, England, May 7th, 1989 (also frisch 60-jährig), via Rare Audrey Hepburn, 27. Juni 2014.

https://youtu.be/BOByH_iOn88

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