Update zum Langenscheidt Deutsch—Mutter/Mutter—Deutsch:

Um wieder mal meta zu werden: Wer bloggt überhaupt noch? Nachdem klar geworden war, dass ein Blog-Eintrag doch einen gewissen Aufwand erfordert, war alsbald Sense mit der Blogosphäre, und Twitter kam gerade recht, um sich herauszureden, dass man da gar nicht mehr als 140 Zeichen reinschreiben kann. Zum Vergleich: Ich brauche für einen üblichen Eintrag zwei bis drei Stunden, mit Nachdenken wird’s ein Tageswerk, wenn ich Bilder, Bildlizenzen, belegende Links, ausschmückende Links, zurechnungsfähiges Deutsch, handgeschriebenes HTML, einen Soundtrack, ein Layout und womöglich auch noch eine Idee haben soll, geht die ganze Woche drauf. Meine literaturtheoretischen Auslassungen über die aufregenden Abenteuer von Doctor Faustus und seinen komischen Freunden sind eigentlich zwei Vollzeitjobs. Selbstverständlich sind wir nur die Besten, nicht die Schnellsten. Wenn mir wieder einer seine wertvollen Tipps mitteilen will, wie ich schneller sein könnte — kein Problem: Dann verschieb ich den Eintrag halt einen bis zwei Monate.

Darum gibt’s bei uns kaum jemals was Aktuelles wie den Böhmermann (gestern war sein Pipikackaficki-Video noch da). Es bloggen mithin nur noch die Unerschrockensten und die Schmerzbefreitesten. Bloggen sollten aber solche, die mehr zu sagen haben als 140 Zeichen. Viel zu selten vernommen und gelesen wird der gewinnend markige, allzeit eindeutige Tonfall des deutschen Mittelstands. Noch zu erstellende Weblogs hätten sich Themen zu widmen wie (alphabetisch):

  • Achtung an alle!!!
  • Augen auf und flexibel sein!
  • Bei uns ist der Fortschritt Tradition.
  • Bei uns wird der Kunde groß geschrieben.
  • !!!!!Bitte beachten!!!!!
  • Das ist das A und das O.
  • Da muss man da das Gespräch, das muss man da suchen und in einen Dialog, da muss man da treten.
  • Es gilt: auf Zack sein!
  • Und zwar folgendes.
  • Was ist zum Beachten.

So passiv-aggressiv mein ich das gar nicht: Auch wenn ich mich nicht vor der IHK mit den Kollegen messen lassen muss, wird man wohl noch neidisch sein dürfen.

Soundtrack: Das Handwerk: Die Wirtschaftsmacht von nebenan, 2010.