Update zum Anarchistischen Glaubensbekenntnis:

Werden wir gefährlich, Thalkirchener Straße

Die Stadt in der wir leben befindet sich in einem permanenten Zustand der Modernisierung bzw. Umstrukturierung. Es wird saniert, aufgewertet, abgerissen und teure Neubauten werden errichtet.

Wir sollen die Veränderungen in unserer Umgebung als passive Zuschauer wahrnehmen (also hinnehmen), um den gewinnbringenden Projekten der Zukunft nicht gefährlich zu werden, sondern sie als beschlossen und unabwendbar zu akzeptieren. Doch genau wir sind es, die die Folgen dieser Vorgänge zu spüren bekommen, sei es in Form von unbezahlbaren Mieten, die immer mehr Leute aus der Stadt verdrängen, da sie nicht mehr in der Lage sind, diese zu bezahlen oder in Form von der Ausweitung repressiver Strukturen, die dafür sorgen, dass alles, was dem reibungslosen Fortschreiten dieser Prozesse gefährlich werden könnte aus dem Weg geschafft wird. Durch einen technologischen Überwachungsapparat, erhöhte Polizeipräsenz und private Security-Firmen wird der Reichtum und das Eigentum der Einen geschützt, während die Anderen durch die Androhung von Strafe im Zaum gehalten werden. Die Politik versucht uns mit leeren Versprechungen für ihre Vorhaben zu vereinnahmen und jeden Konflikt im Keim zu ersticken. Lassen wir uns nicht blenden! Solange wir die für vorgesehene Rolle des folgsamen und unterwürfigen demokratischen Bürgers nicht endlich hinter uns lassen, werden wir weiterhin dem Bild des passiven Zuschauers gerecht, der sein Leben in die Hände anderer legt und sich deren Entscheidungen fügt.

Doch was, wenn wir das Leben wieder an uns reißen und anfangen, selbst Entscheidungen zu treffen?

Wenn wir eigenständig denken und die Konsequenz aus unserem Denken das direkte Handeln ist, sind wir in der Lage, fernab des politischen Spektakels auf unsere Realität und somit auch unmittelbar auf unsere Umgebung einzuwirken.

Wenn das Leben in dieser Stadt für viele unmöglich wird, ist das kein Schicksal sondern das Ergebnis der kapitalistischen Gleichung, bei der unterm Strich der Profit zählt.

Wer von der Umstrukturierung und Aufwertung der Stadt profitiert und sich somit für diese verantwortlich macht, liegt auf der Hand. Vom Vermieter und Architekten, über die Immobilienfirma, Makler und Baufirmen bis zur Stadtverwaltung und Politik, befinden sich die, die unseren Lebensraum als handelbare Ware betrachten überall um uns herum und sind somit auch überall angreifbar.

Machen wir ein für alle Mal klar, was wir von ihnen halten. Mit eigenen Ideen, Worten und Taten!

Ich referier das bloß. So ein Deutsch und so eine Logik in der Argumentation pflegen also diejenigen, mit denen man eigentlich zur Not ganz gern ein paar Überschneidungen in der Meinung hätte. Als erklärte Münchner Einwohner sind es vermutlich Deutsche, auch wenn sie das Wort “München” sorgsam umgehen, aber vielleicht verwenden sie ja für anderen Städte den gleichen Text; das politische Spektakel tobt ja überall. Wer braucht schon Argumente, wenn er eine Meinung haben kann.

Unser Versuch seit Jahren ist, unsere eigene Wohnung aufzuwerten. “Wer von der Umstrukturierung und Aufwertung der Stadt profitiert und sich somit für diese verantwortlich macht, liegt auf der Hand”: nicht etwa “Vermieter und Architekten, über die Immobilienfirma, Makler und Baufirmen bis zur Stadtverwaltung und Politik” (cit. a. a. O.), sondern ausschließlich wir selber. Wenn jetzt das Sondereigentum unseres Kelleranteils zum Wohle der Eigentümergemeinschaft wenn schon nicht komplett enteignet, so doch verkleinert und in seiner Nutzbarkeit eingeschränkt wird, so ist das demokratisch hinzunehmen, weil wir schließlich alle Opfer bringen müssen: Wo soll die Hausgemeinschaft nach einer Sanierung des Abwassersystems mit komplizierter neuer Rohrverlegung denn sonst hinscheißen, wenn nicht mitten durch unseren Keller, am Regal mit den Einweckgläsern vorbei, vorausgesetzt, dass die hinterher noch reinpassen? Dem hab ich keine anderslautenden Vorschläge entgegenzusetzen, weil ich dazu wie immer das Falsche studiert hab. Sollte in einer folgenden Eigentümerversammlung, sei sie ordentlich oder außerordentlich, beschlossen werden, dass ich in meinem Wohnzimmer, weil wir grade so schön dabei sind, auf Kosten des Bücherregals ein Klärbecken einzurichten habe, könnte eventuell sogar ich überlegen, mal gefährlich zu werden; man kann ja durch nichts so verstören wie durch korrekte Kommasetzung. Meine Befürchtung ist allein, dass niemand sie bemerken wird.

Bild mit Zitat: am Tröpferlbad in der Thalkirchener Straße selber gemacht, keine Rechte vorbehalten, aber bitte mit Quellenangabe. Bitte Vorsicht mit dem Text, auch wenn er von jungen, betont gemeinschaftlich orientierten Antifa-Recken stammt: Enteignet werden ist unlustig. Venceremos.

Soundtrack: Roxette: Dangerous aus: Look Sharp!, 1989.