Wenn es möglichst vielen möglichst beschissen geht, geht es allen gut.

Nein, das ist nicht der Feudalismus, der zur Französischen Revolution geführt hat, das ist der Neoliberalismus, der die gegenwärtige Form des Wohlstands ermöglicht.

So wie die Welt nur die beste aller möglichen Welten sein kann, springt nun mal nicht mehr raus mit Utilitariers größtem Glück der größten Zahl, das eben immer nur das größtmögliche ist. Da geht’s nicht um Gleichmacherei und Pöbelherrschaft, da geht’s um die Möglichkeit von Einzelexistenzen.

Logischerweise siebt sich da immer ein bestimmter Prozentsatz aus. Solange eine Gesellschaft sich entscheidet, die Demokratie nominell noch mitzuschleppen, muss man sich mit Sachen wie Meinungsfreiheit und einer gewissen Entlohnung der dienenden Klassen herumschlagen.

Jetzt sollen in einer Hochburg des Feudalismus, ganz buchstäblich einer ihrer allerhöchsten Burgen, nämlich Schloss Neuschwanstein, laut “Bild-Zeitung” gleich mehrere “schwarze Party-Kassen” aufgeflogen sein. Woandersher verlautet etwas aufgeschlüsselter, es sollen nach Ladenschluss, wenn es Nacht ward über Füssen, noch Fremdenführungen stattgefunden haben – der Japaner schläft nicht –, bei Mondschein und so, wie beim alten Ludwig — dem Zweiten, dem von Bayern, nicht dem Vierzehnten von Frankreich, dem aber sein untergebenes Kroppzeug genauso auf den parfümierten Seidensenkel gegangen ist.

Die Sonderführungen wurden mit zwanzig Euro entlohnt. In bar. An den Fremdenführer. Ausdrücklich gegen Quittung. Zwanzig Euro. In bar. An den Fremdenführer, die korrupte Sau.

Falls da nicht noch mehr auffliegt, was ich nicht verstanden hab, halte ich einen wöchentlichen Extrazwanziger für Überstunden nicht für “Untreue und Betrug in besonders schweren Fällen”, sondern für einen besonders frechen Vorschlag für ein Trinkgeld. Aber ich hab ja bloß nicht verstanden, was da noch alles auffliegen wird, und wenn ich nicht selber so ein Bauernopfer wäre, sondern eine “Rarität im Allgäu mit unverbaubarem Traumblick auf Hohenschwangau” zu unterhalten hätte, würde ich bestimmt auch ganz anders reden.

Ungemein spätromantisch: das Bild, wie ein abgeschuftetes, leergequasseltes, für heute wieder ausreichend gedemütigtes Fremdenführermauserl noch im Uniformröckchen nach getaner Tagesabrechnung nach Mitternacht endlich auf ihrem antiken Damenrad den Berg nach Füssen runterklappern darf, den sie zum Dienst in fünfeinhalb Stunden wieder rauf muss. Gewissenlos bereichert um zwei speckige, in der Mitte mit Tesafilm geklebte Zehner, gegen Quittung. (“Mein Gott, wenn Ihn’ die Rechnungsadresse zu schwierich is, lassenses ebmt wech, wir wolln hier nich die Nacht verbring’, nich wah, ha, ha, ha…”)

Seit Jahren soll das so gegangen sein, früher wären das 39 Mark 12 gewesen. Nächste Woche an dieser Stelle berichten wir dann, worin der Skandal eigentlich liegt. Vielleicht.