Man vergisst es so leicht, aber wir wohnen und wirken ja mitten in München. Man vergisst es leicht, weil wir ja nie rauskommen vor lauter Wohnen und Wirken.

Dabei hat München, was Discos und Konzerte angeht, angeblich kulturell so viel zu bieten. Und wir sagen einerseits zu Clubs immer noch “Discos”, andererseits wissen wir noch, dass Städte zu meiden sind, die angeblich “kulturell viel zu bieten” haben.

Wahrscheinlich deshalb kommen wir zu nix, weder kulturell noch statusmäßig. Unsere Kontakte mit der Prominenz sind ausschließlich einem seltenen Zufall unterworfen. Einmal hab ich aus Versehen Marianne Sägebrecht gegrüßt, die sieht nämlich so glaubhaft aus wie meine Schwägerin. Sie hantierte in einer Wohnstraße in Altschwabing in einem Kofferraum, schaute auf, zweifelte mich kurz an und grüßte zurück, ich hätte ja der Bruder von Percy Adlon sein können oder so.

Ein anderes Mal stand ich in der Einlassschlange vor einer Disco. Nein, es war kein Club, es war eine Disco. Genau hinter einem Jeanstypen mit einer Sonnenbrille und zwei mit Anzügen maskierten Gorillas als Entourage. Den wollten sie nicht reinlassen.

Beides, so viel weiß ich über München, sind typische Münchner Verhaltensweisen: nachts Sonnenbrillen aufhaben und an besonders “harten” Discotüren nach einer Dreiviertelstunde Anstehen abgewiesen werden. Nur dass der eine Anzuggorilla mich weit drohender anzweifelte als damals die freundliche Frau Sägebrecht.

“Was glaubst du, wer das ist?” fragte der andere Anzug- den Türgorilla, weil er gerade ein bisschen Luft für soziale Kontakte übrig hatte, “das ist der Schlagzeuger von Elton John, du Spack.”

“Jaja, scho recht”, winkte der Türgorilla ab und deutete hinter sich, “do drin is jeder Zwoate da Schlogzeiger vom Elton John.”

Ich kam übrigens rein, weil meine Jeans neu waren, weswegen ich ja überhaupt erst rausgekommen war. Und was hab ich gemacht aus einer halben Disco voller Schlagzeuger? Das gleiche wie mit Marianne Sägebrecht: freundlich gegrüßt und gegangen. Das Weißbier kostete die Unverschämtheit von drei Mark achtzig, die sich damals nur eine Münchner Disco leisten durfte, der DJ hielt Bon Jovi für eine angemessene Beschallung urbaner Verhaltensweisen.

In München werden ja Konzerte von Elton John und Bon Jovi für Kulturereignisse gehalten. Die praktizieren immer noch ungehindert, die beiden angeführten gerade letzte Woche in der Olympiahalle. Was darüber medial zu erfahren war: Der Baron zu Guttenberg war bei Bon Jovi anwesend. Und “München diskutiert” (Müncher Zeitungsslang für “Uns ist keine andere Schlagzeile eingefallen als”), ob das in Ordnung war, dass der Herr Baron (der Adelstitel müsste echt sein) nach dem Kulturereignis in einer Limousine mit Blaulicht abgeholt wurde. Wenn’s nach mir geht, hätten sie das schon vor Jahren machen können.

Dass München kulturell durchaus mehr zu bieten hat (s.o.) als musikverachtenden Zusammenrottungen ein Forum, verliert sich etwas unter solchen Ärgernissen: Am 6. Juli spielen die Pogues im Zenith. Übrigens nach Jahrzehnten wieder mit Shane MacGowan, den sie seinerzeit wohl allzuoft schon mit Blaulicht anliefern mussten. Und ich kann an dem Tag nicht. Ein Trost: Cait O’Riordan entzieht sich der Kapelle immer noch.

Auch das ist München: Irgendwos is oiwei. Trotzdem gut, drüber geredet zu haben: Nie kommen wir raus, aber wenigstens weiß ich jetzt wieder, wozu das gut ist.

The Pogues: Dirty Old Town, aus: Rum Sodomy & the Lash, 1985.