Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
Bücher und Menschen verschlungen;
Die Glocken wurden geläutet dabei
Und Kyrie eleison gesungen.

Dummheit und Bosheit buhlten hier
Gleich Hunden auf freier Gasse;
Die Enkelbrut erkennt man noch heut
An ihrem Judenhasse.

singt Heinrich Heine in Deutschland. Ein Wintermärchen 1844 in Caput IV (Was nichts “Kaputtes” ist, sondern lateinisch für “Kopf”, mithin der Augmentativ von “Kapitel”). Das waren üble Unterstellungen, darum hieß es ab der zweiten Auflage: “Die Enkelbrut erkennt man noch heut / An ihrem Glaubenshasse.”

Nun begibt es sich ausgerechnet in dem Jahr, in dem Heines in Marmor gemeißelter caput in die Walhalla aufgenommen wird, dass das 2007er Buch einer gewissen Deborah HertzHow Jews Became Germans: The History of Conversion and Assimilation in Berlin” unter die Deutschen fällt. Der deutsche Verlag Campus weiß auch nichts Besseres und übersetzt korrekt: “Wie Juden Deutsche wurden. Die Welt jüdischer Konvertiten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert“.

Ich würde ja nix sagen, das ist ein ehrenwertes Thema, und spannend find ich’s auch noch, gerade wegen Heine. Frau Hertz ist aber Professor of Modern Jewish Studies an der University of California in San Diego und sollte wissen: Deutsch ist eine Nationalität, jüdisch ist eine Religion. German is a nationality, Jewish is a religion, capisce? Findet das eigentlich erst seit der intensiven Öffentlichkeitsarbeit eines verwachsenen Österreichers mit Chaplin-Bärtchen statt, mit dem Deutschland bis heute keinen Staat machen kann, dass zwischen Juden im Gegensatz zu Deutschen unterschieden wird? Und vorsichtshalber für hintern Spiegel: Eine “Rasse” sind Juden auch nicht.

Juden, die es erst praktisch gestern zu einem eigenen Land gebracht haben, leben seit den alten Römern dort, wo seit praktisch vorgestern Deutschland liegt. Als die Germanen endlich Deutsche wurden, empfanden sich die mitten unter ihnen lebenden Juden als was wohl? Als Deutsche, genau. Als was sonst? Hermann Cohen sah in seinen jüdischen Glaubensgenossen sogar die Träger eines eigenen germanischen Stammes, was einen glatt auf die Frage werfen kann, wie gut das Chaplin-Double in Neukantianismus beschlagen war. Ganze Arbeit hat er ja geleistet: Solche eingeschlichenen Formulierungen, ebenso das bis heute grassierende “Halbjude“, insinuieren nämlich, dass “der Jude an sich” ein gutgläubiger Depp ist, der meint, er sei ein Deutscher, obwohl er doch wissen müsste, dass er von Antisemiten umzingelt ist und jederzeit massenvernichtet werden kann. Liebe Alt- und Neonazis, Judenfreunde, Christenmenschen und Sprachbenutzer, Halbjuden gibt’s nämlich gar nicht. Hat’s nie gegeben. Juden, die gibt’s, in Form von Rabbis, Bankern, Drehbuchschreibern, Schustern und koscheren Metzgern, und manche sollen sogar was gelernt haben, das nix und wieder nix mit ihrem Glauben zu tun hat. Und es gibt Leute, die etwas anderes als Juden sind. Halbe nicht. Das lassen sie sich erstaunlich gleichmütig gefallen, die Juden. Was reg ich mich also stellvertretend auf.

Einwände gegen Heinrich Heines Aufnahme in die Walhalla (als Nr. 130 nach Sophie Scholl und Edith Stein) lauteten dahin, dass der Mann zu Lebzeiten drei Spottlieder auf König Ludwig I., den Gründer der “marmornen Schädelstätte” (wieder Heine) verfasste, die er sich nicht einmal selber in die Fassungen seiner Gedichtzyklen letzter Hand aufzunehmen traute. Und dann doch wieder: Bei der Enthüllung am 28. Juli 2010 sprach Karl-Heinz Theisen vom Düsseldorfer Freundeskreis Heinrich Heine: “Wir setzen mit dieser Ehrung auch ein deutliches Zeichen gegen antisemitische Tendenzen und Rassenhass. Diese Büste macht uns stolz.” Martin Luther ist schließlich auch da, und den wollte Ludwig I. dort nicht sehen. Und inzwischen steht er da höchstselbst, 75 Zentimeter hoch aus Lasa-Marmor. Das ist ja alles nichts Schlechtes. Was Heine uns lehren kann in dem Denkmal, das er sich durch sein Werk gesetzt hat: dass man trotzdem aufpassen soll, was man sagt.