Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Juli 2008

Der Kunde ist König

"Worin Sie sich aber von anderen unterscheiden können,
ist der persönliche, menschliche Umgang mit Ihren Kunden:
60% der im Rahmen der Spiegel-Studie befragten Verbraucher haben
schon einmal aus Ärger über schlechte Bedienung einen
Laden verlassen, ohne etwas gekauft zu haben. 52% verneinen ausdrücklich
den Satz "Der Kunde ist König"! Sie können
sich als Unternehmer oder Dienstleister vor allem über drei
Dinge profilieren: erstens Service, zweitens Service und drittens
Service." (Prof. Dr. Lothar J. Seiwert)

Wenn der hochverehrte Professor die Telekom meint oder das berühmte, dem Gast hingedonnerte "Draußen nur Kännchen!", oder den Grafiker, der tagelang nicht erreichbar ist, dann mag er Recht haben.

Ganz und gar nicht stimmt es für den Designkunden, der ein hochanspruchsvolles Design will für seinen Auftritt, dafür lediglich 300,00- 400,00 EUR zu zahlen bereit ist und dazu nicht einsieht, Handlingskosten zu honorieren. Und dem Grafiker für Tipps & Tricks bereits seit Stunden das Ohr abkaut. Dieses "Ohr abkauen" ist nicht das Service, Service, Service,  von dem der Professor redet. Ganrantiert nicht. Es ist Zeit- und Beratungsdiebstahl. Bei manchen Kunden als "Service" missverstanden.

Das kommt, weil es Professoren gibt, die sich branchenübergreifend und zu pauschal ausdrücken. Denn es gibt Branchen, die sind dermaßen service-orientiert, so dass man schon – ohne Abmahnungen befürchten zu müssen – von einem Overservice sprechen kann. Aber genau deren Kunden werden immer fordernder und wollen partout immer mehr Service!, der gar keiner ist, sondern echte, aber unhonorierte Dienstleistung.

Die Telekom hingegen kratzen Professorchens Sprüche gar nicht. Außer mit ein paar Werbesprüchen und Dienstleistungs-Offerten mit "Kundennnähe" auf dem Papier. Solange sie immer mehr Personal abbaut, nimmt ihnen Lieschen Müller auch gar nicht mehr ab, dass der Service auf irgendeine Art besser werden wird. Wie denn.

Für Grafikdesigner hingegen gilt:
Der Kunde ist König.
Nachsatz: Wenn er sich königlich benimmt.

Lerne klagen ohne zu leiden

WOYZECK. Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Haupt mann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unseelig in der und der andern Welt, ich glaub' wenn wir in Himmel kämen so müßten wir donnern helfen.

Georg Büchner, ca. 1836

Leiden ist jetzt mein Geschäfte
Andres kann ich jetzt nicht thun
Als nur in dem Leiden ruhn.
Leiden müssen meine Kräfte

Leiden ist jetzt mein Gewinn
Das ist jetzt des Vaters Wille
Den versteh ich sanft und stille
Leiden ist mein Gottesdienst

Gott, ich nehms aus Deinen Händen
Als ein Liebeszeichen an,
denn in solchen Leidenschaften
Willst Du meinen Geist vollenden.

Wer allein im Fleische leid't,
Wird errettet von den Sünden,
so den Körper oft entzünden,
und an seinem Geist erneut.

Drum so weiß ich festiglich
Ich mag leben oder sterben,
dass ich nicht mehr kann verderben,
denn die Liebe reinigt mich.

Maria Michels, 29. September 1832

Kennen Sie glückliche Menschen? Ich kenn nur ängstliche.

Wenn man fragt, warum auf der Welt etwas passiert, muss man einfach nur gucken: Wer verdient daran? — Sind Tiere beteiligt? Dann geht es um Reproduktion. Sind Menschen beteiligt? Dann geht es um Geld.

So einfach, dass es nervt. Komplizierter wird's aber nicht.

Nun unterscheiden wir zwei Sorten Menschen: solche mit Geld und solche ohne Geld. Dass letztere nicht glücklich, sodern ängstlich sind, sehen Sie ein. Dass erstere aber ebenfalls nicht glücklich, sondern ängstlich sind, klingt gefährlich nach Gutmenschenbinse: "Geld macht nicht glücklich", "Besitz belastet" und ähnlichen Faschistenparolen.

Stimmt trotzdem. Ich hab lange überlegt, ob ich es überhaupt so öffentlich sagen soll, aber es führt kein Weg daran vorbei: Reiche Leute sind nicht glücklich. Das Beruhigende ist: An Amnesty spenden hätte nichts genützt, Armut ist nämlich mindestens genauso scheiße. Es herrscht eine große Verschwendung an Lebensglück in der Welt.

Bleiben wir im Bild und fragen uns, wem die Angst nützt: Wer verdient daran? Jemand, dem lebenslänglich himmelangst ist, dass er verarmen könnte. Diese Angst kann er in sich einsperren, das ergibt Depression und allgemeines Rundumversagen, oder er kann sie an andere weitergeben, das gibt Geld. Jedenfalls glaube ich nicht, dass die Menschen Sätze wie "Ich übernehme keine Gewähr für die Rechtssicherheit und Einhaltung der Gesetze auf allen von hier verlinkten Internetseiten anderer, ebenso nicht für Seiten auf die von den verlinkten Seiten gelinkt wurde oder aber auch für Seiten, auf die von verlinkten verlinkten Seiten, die hier verlinkt sind gelinkt wird" freiwillig auf ihre Websites schreiben. Sondern weil sie etwas oder jemanden fürchten. Und zwar den Verlust von Geld.

Was dagegen hilft? Nun, Sterben wäre die eine Lösung. Die andere: Leben. Leben hat man nur eins, weil wir hier unsere Avatare nicht in der World of Warcraft rumsteuern, man sollte es also eifersüchtig ausnutzen. Also erst schießen, dann fragen. Bei Rückfragen nochmal schießen. Keine Musik hören, sondern Musik machen, das ist dann sowieso die schönste. Zehn hanebüchene goldene Regeln ausdenken und befolgen. Nur noch tun, was Sie interessiert, aber vor allem: Tun Sie es. Alle Gegenstände Ihres Haushalts, die mit einem kleinen i anfangen, den Armen spenden, vor allem den geistig Armen, die stehn da drauf. Tun Sie lieber irgendwas als gar nichts, man weiß ja auch nicht, was Aristoteles morgens um vier getrieben hat. Dann sind Sie wenigstens beschäftigt und dann lachen Sie darüber, dass Sie je an Sex und Geld interessiert waren.

Schwierig? Ach was. Gewöhnungssache wie alles andere. Wo ich Sie gerade so schön motiviert hab: Als Anfang gewöhnen Sie sich endlich das Bloggen ab. Yippie yeah.

Soundtrack: Paul Young: Love of the Common People (mehr Mädchenchor zum Grinsen in der Extended Version), aus: No Parlez, 1983.

So können Sie Ihren Designer zum Wahnsinn treiben.

10 einfache Regeln

1. Können Sie das bis morgen machen?

2. Wir sind schwer erreichbar, möchten aber,
dass Sie sich kommitten, das pünktlich fertig zu stellen.

3. Es muss pfiffig sein. Aber auch seriös.

4. Jeder soll angesprochen werden.

5. Das bisschen Wirkung kann doch nicht so teuer sein.

6. (Zu einem langjährigen Profi):
Beweisen Sie uns erst Ihr Können!

7. Für den Text/das Design haben wir leider nicht mehr viel Budget.

8. Das Installieren kann doch nicht so schwer sein.
Wir machen das selbst.

9. Auf der ersten Seite soll nur "Willkommen" stehen
oder ein schönes Flash-Intro.

10. Es soll Innovation und Tradition darin vorkommen
und "Im Mittelpunkt steht der Kunde".

Schon ein einziger Satz aus dieser Hitliste genügt, den Rücken mit Selbstbewusstsein zu füllen und den Auftrag begründet abzulehnen, falls kein tragfähigeres Briefing geliefert wird.

Über den Tisch gezogen

Wenn zwei Geschäftspartner an einem Tisch Platz nehmen, kann man beobachten, dass sie immer versuchen werden, dessen Fläche genau zu 50% zu "besetzen". Mit den Händen, mit der Körpersprache, mit den mitgebrachten Unterlagen. Das "über den Tisch ziehen" kommt vermutlich davon her, dass einer versucht, diese optisch gleichgewichtige Verhandlungsausgangslage zu seinen Gunsten zu verändern. Man denkt auch unwillkürlich an Fingerhakeln.

Wie sieht es bei den Dienstleistern des Grafikdesign aus? Sind sie über-den-Tisch-Zieher?

Ich lese da in einem Xing-Forum sowas (aus Copyrightgründen leicht verändert und reduziert), warum ein User über diverse Geschäftsangebote verschiedener Firmen (nicht unbedingt Grafikdesign) verärgert  ist:

1. Das ganze Angebot erschien mir nicht ehrlich!
2. Ich hatte das Gefühl, man zieht mich über den Tisch!
3. Ich hatte den Eindruck, dass ich woanders besser aufgehoben bin!
4. Mir gefiel das aggressive Gebaren des Anbieters nicht!
5. Der anbietende Dienstleister nervte mich mit seinen vielen Anrufen und Informationen.
6. Ich merkte, dass der Anbieter nicht interessiert war, mein Geschäftspartner zu werden, sondern einfach nur an mir/meiner Firma verdienen wollte.

Verstehe das sehr gut.
Kommunikationsdienstleister wie mein Mann und ich mögen das ebenfalls nicht, aggressiv von potenziellen Lieferanten angegraben zu werden. Dennoch ist uns auch schon passiert, dass unsere Auftraggeber misstrauisch unterwegs sind, lieber erst mal gar nichts glauben, und sich alles zweimal erklären lassen und an Kostenpositionen herumschrauben (seltsamerweise oft an den kleinen).

Oft hängt es in unserer Branche aber am Vorwissen des Kunden, was es überhaupt bedeutet, einen, und warum genau diesen Kommunikationsdesigner zu beauftragen. Wir beide beispielsweise achten sehr darauf, dass alles aus einem Guss ist. Zielgruppe, Idee, Kernbotschaft, Text, Bild, bunte Rähmchen, Technik. Und nicht nur Bild und bunte Rähmchen. Und sagen das auch deutlich auf unserer Website. Dass das, was wir erstellen, ein rundes Gesamtbild auf allen Ebenen abgibt. Inner Design. Wir sind sehr unglücklich und es wird uns unbehaglich im Dienst der Sache, wenn Teilbereiche beauftragt werden, wenn es woanders nötiger wäre, etwas zu tun.

Zum Beispiel kommen 70% der Aufträge so herein, dass man ein schickes Design will. Todwichtig. Ein nur kurzer Blick auf das Unternehmen und seinen Auftritt sagt uns Kommunikatoren rasch, dass ein schickes Design die Probleme des Kunden nicht oder nur teilweise lösen wird. Was tun?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. Wir sagen dem Auftraggeber sofort beim Kennenlernen, wie wir das sehen und dass wir sein Problem anders lösen müssten und bei Auftrag anders lösen werden. Nämlich ganzheitlich (meist inkl. Konzept und Text, denn die meisten Probleme sind erfahrungsgemäß Positionierungsprobleme und in Folge Probleme ihrer gesamten Untenehmenskommunikation, die besser ausgerichtet und feingetunet werden muss.)

2. Wir lassen uns auf den Deal ein, uns nur um das Design zu kümmern, und schreiben so eine Kostenaufstellung. Lassen den Kunden texten undsoweiter. Und hoffen inständig, dass der Kunde im Laufe der Arbeiten merkt, dass er mehr/anderes braucht. Oder es sich behutsam beibringen lässt.

Ich bin bereits mit allen beiden Möglichkeiten bei manchen Auftraggebern böse reingefallen. Wähle ich die klare und sofortige Möglichkeit 1, dann wurde unterstellt, dass wir Geschäft generieren wollten. Wähle ich die behutsame Möglichkeit 2 mit Aha- und Lerneffekt, dann wurde mir unterstellt, dass wir Geschäft generieren wollten.

Es liegt einfach auch am Typus Kunde und was er "draußen" gelernt hat.
Er hat gelernt, dass man ihn nicht aus den Fängen lässt. Er hat gelernt, dass versucht wird, ihm Überflüssiges abzurechnen. Er hat die Tricks der Verkäufer gelernt, ihre Reden, ihre Posen und ihre nicht ganz unsmarten Versuche, das Vertrauen zu bekommen. Und ist ebenfalls seinerseits trickreich unterwegs. Und versucht seinerseits, sich arglos zu stellen und so viel Beratungsleistung im Vorfeld abzuziehen, wie es irgend geht. Der Verkäufer wird dann ebenfalls in Folge über den Tisch gezogen, der betrogene Betrüger wird mit seinen eigenen Tricks ausgetrickst. Schlaue Kunden.

Aber auch misstrauische Kunden.

Sie wittern Unrat, wenn die Kostenaufstellung in einer sehr nüchternen Kaufmann-Sprache abgefasst ist.

Sie wittern Unrat, wenn man versucht, ihnen vorsichtig die Nutzungsrechte darin zu erklären. Von denen sie verdammt nochmal sehr wohl etwas haben. Ich werde in Zukunft komplett darauf verzichten und lieber etwas höher gehen und das Nutzungsrecht behalten. Auch was Schönes.

Sie wittern Unrat, wenn man ihnen eine Positionierung im Briefing abverlangt. Und wenn man sagt, dass, wenn sie dies nicht machen mögen oder können, wir das übernehmen. Zu einem sehr moderaten Stundenhonorar.

Sie wittern Unrat, wenn man darauf besteht, dass ein Profi das CMS aufsetzen soll. Sie sagen, das kann doch nichts kosten, weil das nicht so schwer sein kann (dann viel Spaß mit ihrem Hotline-Chaos-Provider, den roots, der Datenbank und dem .htaccess).

Sie wittern Unrat, wenn man dann sagt: O.k. dann machen wir eben nur das Design und sind eben dann nur für das Design, aber nicht für die technische Umsetzung, verantwortlich.

Ich denke, es muss ein neues Kunden-Dienstleister-Verhältnis zu Grafikdesignern her. Wir sind keine ausgebufften Versicherungsfuzzis und auch keine Schleimseller.

Ich kann so nicht arbeiten.

Schadcode im echten Leben: If-Schleifen

Wer kennt das nicht als Anbieter, das Referenzen-Problem. Und wenn man was mit Bier gemacht hat, und das waren Plakate, reicht das nicht, denn man will sehen, ob man auch Prospekte zu Bier gemacht hat (Nein, wir haben leider "nur" Prospekte zu IT und Hightech, blöd aber auch…)

Wichtig ist wirklich, aus dieser if-Schleife auszubrechen:
if: keine Kunden/Arbeitgeber = true, dann keine Referenzen,
if: keine Referenzen = true, dann keine Kunden/Arbeitgeber.

Daher muss man was selber bauen. Man kann nicht: Warten, bis Auftraggeber freier werden in der Annahme, dass man schon Bierprospekte können wird, wenn man zwar Bierplakate kann, aber "lediglich" Hightech-Prospekte gemacht hat. (Komisch, als Agenturangestellte ging man mit uns aber so um: Wir mussten ständig Sachen machen, die wir vorher noch nie gemacht hatten. Es war Alltag. Die Agentur punktete nach draußen immer mit den Spezialisten, die sie angestellt hätte, aber in Wirklichkeit war das Agenturleben dauernde Generalprobe. Keine Aufgabe war der vorangegangenen ähnlich, wir angestellte Kreative aber haben das gewuppt. Und zwar sehr gut, sonst hätte es uns derbröselt und wir wären gefeuert worden. Das dazu.)

Das wird aber in diesem Jahrhundert nichts mehr bei vorsichtigen und zögerlichen Mittelstandskunden.

Die bei einer Agentur kaum hinterfragen, aber einem kleinen Designer gegenüber sehr wohl alles hinterfragen, der ohne Agentur im Hintergrund arbeitet, aber komischerweise aus einer solchen kommt und lange Jahr dort diente. Sie brauchen Beweise zu ihrer Absicherung bis zum Abwinken. Ich verstehe das nur bis zu einem gewissen Grad, manchmal wird mir übertrieben. Sie denken dazu auch nicht in Kreativität und Expertise, die sie gedenken zu bezahlen, sondern stur in Werbemitteln und ihrer technischen Beherrschung. Beispiel: Man braucht eine neue Website. Statt sich Gedanken zu machen, was sie geschickterweise kommunizieren soll, macht Kunde sich Kopfzerbrechen über den Navigator (der soll "ausklappen"; dabei können das nicht alle Browser gleich gut, mit der Validität ist das auch so eine Sache, aber nee. Dabei hat das dazu  die Wichtigkeitsrangliste wie Strähnchen vom Friseur, wenn der Schnitt rausgewachsen ist und nicht mehr passt. Nämlich ganz hintendran. Kriegste aber aus Kunden nimmer raus. Also mach ich ihm das. Ich mach mittlerweile alles, auch PHP-Kram, obwohl ich das gar nicht will: Dafür und für Datenbanksachen und Installationsarbeiten auf dem Server hole ich in der Regel Spezialisten, IT- und Scriptmenschen. Besser ist das, aber zahlen wollen viele Kunden es einem dann doch wieder nicht. Wenn ich das aber selber mache, ist das wohl dann kostenlos, nee, kann nicht sein, oder?)

History:

Ich kenne diese if-Schleife ebenfalls sehr gut, damals als ich mich
vor 8 Jahren selbständig gemacht habe.

Ich hatte zwar Referenzen (tolle klassische Kampagnen und TV), aber die interessier(t)en den Mittelstand, den ich addressieren musste, weil ich durch meine kleine Größe nicht mehr an große Unternehmen kam, einen Papp, nicht. Der wollte: Kleinkram, Prospektchen, Flyerchen, Websitechen. Bitter.

Und das hatte ich nicht. Und wenn, hatte ich das weggeschmissen, da es mir nicht relevant erschien, um Kreativität abzubilden. Das muss man sich mal vorstellen!

Musste ich also zum Teil alles erst mal selber erstellen ohne Auftraggeber. Scheiße und dämlich sowas. Ich habe geflucht. Der Gründermut ging da auch manchmal gefährlich in die Knie. Ein Unternehmensberater empfahl dazu allen Ernstes, wir müssten groß werden (das bedeutete mords große Bankkredite, alldas), sonst bekämen wir keine großen guten Auftraggeber.

Überzeugte mich nicht, denn ich wollte nicht mehr das, was ich bereits zu gut kannte: Projekte steuern, Kreative steuern, großes Satzstudio aufbauen, vor allem: den Bankkredit bedienen. Das sind mir zu viele Geld-Herren über mir und zu viele, möglichweise weniger Motivierte, unter mir. Hatte ich jahrelang und das wollte ich doch grade nicht, durch die Selbstständigkeit abbauen. Was ich wollte, war:

mein eigener Herr sein!

Und endlich gute Sachen machen, zu denen ich stehen kann. In Zeiten, in denen verzweifelt entfremdete Arbeit, Work-Life-Balance und Zeitmanagement unter gestressten Angestellten diskutiert wird, eine tolle Sache.

Die Welt als Wille und Vorstellung

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie den Lauf nicht abgebrochen?

Strackerjan: Der Wille eines Sportlers ist es, ins Ziel zu kommen.

(Aus einem Interview mit einem Mit-Läufer zum Berg-Extremlauf an der Zugspitze)

Ist das noch Sport, wenn man tot oder halbtot ins Ziel kriecht?

Oder hat hier nicht ein pervertierter, endorphin-süchtiger Leistungsgedanke seine als Sport verkleidete Suchtform gefunden?

Frag ja nur.

Die Kunst des Weglassens

Ein mir sehr liebes Menschenkind hat Stress. Es kann nicht zu einer Party gehen, weil es zu diesem Datum ein Zeitmanagementseminar hat :-)

Ich halte nichts von solchen Seminaren. Die Zeit als physikalische Erscheinung lässt sich objektiv nicht dehnen, nur biegen. Zeit ist gekrümmt. Wer will, dass sich seine Zeit subjektiv dehnt, sollte sich mal ordentlich langweilen. Ich empfehle dazu Marcel Proust, Fontane (Wanderungen durch die Mark Brandenburg) oder eine alte Ausgabe des Handelsblatts. Es wirkt. Und einfach Dinge weglassen. Die Flaschen nicht noch schnell zum Glascontainer bringen, nicht noch rasch die E-Mails abrufen und nicht mal eben schnell eine Quiche backen. Und die Worte "mal", "eben" und "schnell" streichen.

Nur eine Sache machen, nur die. Gutes Design entsteht durch Reduktion. Beim Schreiben ist es ähnlich. Macho Hemingway hatte den klugen Gedanken

"Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er
schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der
Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das
Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier
gebracht. Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein
Achtel von ihm über Wasser befindet."

Inspiriert vom Ostblog http://ostblog.wordpress.com/

Das ist bei uns so Brauch und darauf bilden wir uns was ein

Ist es böse, schlecht über die Arbeit von Kollegen zu reden? Ich tu das ungern, wirklich, schließlich produziert man selber schon mal Ideen, die man lieber gleich wieder dem digitalen Orkus anheim gibt; das hilft denken. Der Unterschied ist: Ich gebe sie nicht heraus. Und wenn, dann intern, damit man was zum Beeiern hat, oder als “und dann noch ein Vorschlag zum Wegschmeißen”, damit der Unterschied zu den richtigen Ideen klar wird; auch das hilft weiterdenken (“Know thy enemy”). Und dann sowas:

“Alles fühlt sich hier so frei an – wir sind stolz auf Bayan!”, ja nee, is klar, ne. Weil der Gründer der CSU damals auch persönlich Hohenschwangau gebaut, die windig durchsichtigen Seitenflügel für die Staatskanzlei geschnitzt und das Wasser in die Donau eingelassen hat.

Ach kommt, Amigos, niemals kann das eine Ermunterung sein, sich bei der Landtagswahl am 28. September für euch zu entscheiden. Ein Propagandafilm zum Schutz vor Überfremdung ist das, und als solcher müsste er sogar prächtig funktionieren.

(Fachlink: http://stoiber-war-wenigstens-lustig.de).

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