Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Dezember 2012

Tölpel, Nichtsnutze, ihr seid gefeuert!

Und noch:

“Geld ausgeben? Ihr spinnt wohl. Dann habe ich es ja nicht mehr.” (Dagobert Duck, 65)

Angebrannter Glühwein

Glühwein, am Topfboden angebrannt

Ein denkwürdiges Jahr geht zu Ende. Wer glaubte, dass einige Dinge nicht möglich sind, musste sich, schwer schnaufend, seit der Finanzkrise korrigieren lassen.

Im Alltag gelten jedoch andere Erfahrungen, die uns stärker berühren. Zum Beispiel, dass in der Mehrowingerstraße geblitzt wird. Und neue Erkenntnis im Jahr 2012: Man kann Glühwein anbrennen lassen.

Damit diese etwas beunruhigende Aussicht nicht von weiterführenden melancholischen Betrachtungen getrübt wird, von mir der letzte rattenscharfe Cat Content des Jahres 2012 als Gruß an den geschätzten Leser:

Moritz krallt sich fest

Fertig machen zum Entern

Moritzens Katzenpfote krallt sich auf der Jeanshose fest.

Geentert

Unsere Miez Moritz wird das neue Jahr 2013 vermutlich ebenso im Griff haben.

 

 

The boys of the NYPD choir were singing Galway Bay and the bells were ringing out for Christmas Day.

Moritz, beste aller Katzen und wertvollster Mitarbeiter am unbehauenen Stein im Felsengarten unseres Lebens, meint: “Was spart ihr denn so mit Geschenken? Ist doch Weihnachten!”

Vroni, beste aller Frauen und ganz knapp zweitwertvollste Mitarbeiterin ebenda, meint: “Was soll ich denn andauernd kaufen? Ist doch bloß Weihnachten!”

Ich meine überhaupt nichts mehr und komme mir sehr besinnlich dabei vor. Sollten Sie auch.

Schöne Weihnachten, Jul, Hanukkah, Mean Geimhridh und/oder Alban Arthuan.

Bitt euch hiemit sömlich kleine gaab / dieweil sy mit gûtem hertzen und gemút verert wirt / nit zû verschmahen / und zû einem glücksäligen neüwen Jar empfahen / mich auch noch als vor für euweren gûten freünd und willigen diener erkennen. Wünsch euch hiemit vil glück unnd heil euch und euwer neüwen Eegemahelen / und nach disem zergencklichen leben das ewig himmlisch reich und seligkeit / Amen.

Jörg Wickram Stattschreyber zu Burckhaim:
Das Rollwagenbüchlin, Widmung, 1555.

Daniel Nikolaus Chodowiecki, Häusliches Fest am Weihnachts Abend, 1799

Bild: Daniel Nikolaus (!) Chodowiecki: Häusliches Fest am Weihnachts Abend, 1799,
Soundtrack: The Pogues featuring Kirsty McColl:
Fairytale Of New York, aus: If I Should Fall from Grace with God, 1988.

Und als ich aufblickte zur unermeßlichen Welt nach dem göttlichen Auge

Andere entkommen Weihnachten nicht, ich entkomme meinem Job nicht: Kaum betritt man Schloss Blutenburg, schon ist der Weihnachtsmarkt geschlossen, von der Internationalen Kinder- und Jugendbibliothek, Erich-Kästner-Zimmer, Michael-Ende-Museum, Binette-Schroeder-Kabinett, James-Krüss-Turm und Agnes Bernauers Bett ganz zu schweigen. Touristentipp: Winterwochentags früh um zehn hat man die Münchner Sehenswürdigkeiten praktisch für sich.

Vielmehr sagt mir der Weihnachtsmarkt als erstes dezent, womit ich eigentlich beschäftigt sein sollte:

A

In die meisten der Sehenswürdigkeiten hätte ich sowieso nicht reingekonnt: Sich über 18 alleine in der Internationalen Kinder- und Jugendbibliothek rumzutreiben hat so was Pädophiles, und sich in Agnes Bernauers Bett rumtreiben hat wieder was Nekrophiles, außerdem lassen sie einen das bestimmt nicht mal unter 18.

Dagegen darf man heute in die Schlosskapelle, auch wenn man nicht dem Adel angehört, und die ist wirklich schön. Die vollständigste Kirchenausstattung der Spätgotik in Deutschland war in Teilen 1971 kurzzeitig bei Walter Sedlmayer selig im Wohnzimmer. Des Kirchenraubs und der Hehlerei wurde er nach fünf Tagen U-Haft wieder freigesprochen, wie die Blutenburger Madonna allerdings da hingekommen war, verraten sie einem im Internet bis heute nicht (“Huch! A Madonna vo 1488! Wia liab dass’ herschaugt, und mit ned amoi Wurmleecha drin! A dees waar gfeit!”).

Die Kapelle ist so beeindruckend alt, dass sie noch nicht mal einen Vorraum hat. Klar: Wer sollte denn 1480 groß vor der Kirchentür ramentern, wenn ohnehin nur geladene Hochadlige in den Innenhof dürfen. Bis heute haben sie da nicht mehr als eine zugige Holztür, hinter der man nahtlos in den Kirchenraum hineinfällt.

Leider haben sie auch keine Heizung und kein gescheites Licht. Nicht mal am hellerlichten Mittag, solang ich in den höchst überschaubaren Bankreihen gesessen bin (hörenswert das armesünderhafte Zwölfuhrläuten), in das vertieft, worein sich der großstädtische Agnostiker humanistischer Prägung statt des Gebets vertieft. Die Bilder aus dem Kircheninneren werden deshalb mit normalem Freizeitequipment nicht schärfer als so:

Christus Schlosskapelle Blutenburg

Und das ist noch gephotoshoppte A-Qualität. Worein sich so ein urbaner Hu- und Germanist aber so vertieft? Angesichts solcher Schätze der Spätgotik zum Beispiel in die

Rede des todten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sey.

Jetzt sank eine hohe edle Gestalt mit einem unvergänglichen Schmerz aus der Höhe auf den Altar hernieder und alle Todte riefen: «Christus! ist kein Gott?»

Er antwortete: «es ist keiner.»

Der ganze Schatten eines jeden Todten erbebte, nicht blos die Brust allein, und einer um den andern, wurde durch das Zittern zertrennt.

Christus fuhr fort: «Ich ging durch die Welten, ich stieg in die Sonnen und flog mit den Milchstraßen durch die Wüsten des Himmels; aber es ist kein Gott. Ich stieg herab, so weit das Seyn seinen Schatten wirft und schauete in den Abgrund und rief: Vater, wo bist du; aber ich hörte nur den ewigen Sturm, den niemand regiert, und der schimmernde Regenbogen aus Wesen stand ohne eine Sonne, die ihn schuf, über dem Abgrunde und tropfte hinunter. Und als ich aufblickte zur unermeßlichen Welt nach dem göttlichen Auge, starrte sie mich mit einer leeren schwarzen bodenlosen Augenhöhle an; und die Ewigkeit lag auf dem Chaos, zernagte es und wiederkäuete sich. – Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Schatten: denn Er ist nicht!»

Die entfärbten Schatten zerflatterten, wie weißer Dunst, den der Frost gestaltet, im warmen Hauch zerrinnt; und alles wurde leer. O da kamen, schrecklich für das Herz, die gestorbenen Kinder, die im Gottesacker erwacht waren, in den Tempel, und warfen sich vor die hohe Gestalt am Altare und sagten: «Jesus! haben wir keinen Vater?» – Und er antwortete mit strömenden Thränen: «wir sind alle Waisen, ich und ihr, wir sind ohne Vater.»

Da kreischten die Mißtöne heftiger – die zitternden Tempelmauern rückten auseinander – und der Tempel und die Kinder sanken unter – und die ganze Erde und die Sonne sanken nach – und das ganze Weltgebäude sank mit seiner Unermeßlichkeit vor uns vorbei.

Aus: Jean Paul: Siebenkäs, 1796–97;
cit. n. Madame de Staël: Über Deutschland.
Zweiter Theil. II. Abtheilung.
Acht und zwanzigstes Capitel: Von den Romanen,
stark gekürzt.

Wie eingangs gesagt, war der Weihnachtsmarkt geschlossen.

B

(Die Bilder sind meine. Die dürfen Sie gern für nichtkommerzielle Zwecke benutzen, wenn Sie dazusagen, von wem sie sind.)

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