Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Mai 2010

Mutters Hochzeitsbildfrisur

the missing link ist zwar nur noch so jung, wie es sich fühlt, lässt sich aber immer noch leicht beeindrucken. Zum Beispiel von sauberer Arbeit und Sachverstand, gelegentlich auch von unprätenziöser Professionalität — wobei es gar nicht stören würde, wenn ein Schuss Genialität im Spiel wäre.

Der Literatur Moths in der Rumfordstraße ist wirklich gut geführt und kennt sich aus. Und sie wissen, wie Kühlschranklyrik geht: mit überrumpelnden Enjambements. Respekt.

Der Schlaf warf mit der schwarzen Schnur
dran lief das Nachthalshuhn mit dem Gesicht
des Briefträgers und Mutters Hochzeitsbildfrisur
als ich vom Sackbahnhof vier Uhr
durchs Maisfeld immer nur durchs selbe
haushoch gelbe Maisfeld zum Vater ins
Gefängnis fuhr.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Try as I like to find the way, I never can get back by day, nor can remember plain and clear the curious music that I hear.

Jung ist man dann, wenn man jung ist in Farbe, Form und Bedeutung.

Vroni, Mai 2010

Plüschwolf

Buch: Robert Louis Stevenson: A Child’s Garden of Verses, 1858;
Musik: Natalie Merchant: Leave Your Sleep, 2010.

Film: Nonesuch Records über Natalie Merchant: Leave Your Sleep, 2010.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Marketingmixgetränk

Gerade Firmengründer übersehen gern, dass Marketing aus vier Sachen besteht, die mit P anfangen (wenn nicht sogar zehn, was man allerdings bemüht finden kann).

Betrachten wir, was eingeführte Marken richtig machen. Nicht solches Hipster-Zeug, dem von alleine klar ist (oder sein sollte, wenn es eine Neugründung ist), dass es nächstes Jahr um diese Zeit keinen Schnitt mehr macht. Sondern einen Partner von Handel und Gastronomie mit mehr als 1000 Weinen, Champagner, Sekt und Spirituosen der gehobenen Kategorie im Sortiment plus eine breite Palette angeschlossener Dienstleistungen: Schlumberger.

Schlumberger Sekt im V-Markt München

Kennen Sie nicht? Nein, das ist eine Gastronomiemarke. Muss also den kritischen Augen und Zungen von Profis standhalten, nicht die Mitnahmebrühe aus der Quengelzone. Und ich kenn den Stoff auch nur aus dem Münchner V-Markt, der einerseits noch wie Metro die Mengen bereithält, die der Gastronom braucht, andererseits schon aufs Schild vor der Einfahrt schreibt: “Einkaufen für jedermann”. Auch ein Missing Link, gell? Bei V bekommen sie einzelne Brösel Safran genauso wie die gastronomisch relevanten Gebinde wie Zehn-Kilo-Kübel norwegischer Preiselbeeren. Wissen Sie, was die Metro Ihnen hustet, wenn Sie ein Mädchenglas (150 Gramm) Quittengelee verlangen? Kennt also nicht jeder, den Schlumberger, und das soll so.

Gehen wir durch:

1. P wie Produkt: Schlumberger Jahrgangssekt/Vintage Brut, Sparkling ,Methode Traditionelle, Edition Chin Chin, 0,75 Liter, 11,99 Euro. Laut Eigenbeschreibung: “Die Schmuckdose ‘Chin-Chin’ ist das ideale Geschenk für Weihnachten. Dies ist die fünfte Dose der Sammeledition, in der die Schlumberger Elfe als charmantes Motiv in einer limitierten Auflage variiert und zum Sammeln einlädt.” Ein ehrbares Gesöff. Und eins in einer Reihe, von der man mehr brauchen wird. Ein Geschenk, das was darstellt, und möglicherweise nicht das letzte. Toll, da hat man zum Geburtstag schon wieder was. Vor allem aber etwas, das man an einem Point of Decision aussuchen und getrost nach Hause tragen kann, und eben kein abstrakter Gegenwert für meine harte Währung (“Random IT Solutions”). Gesoffen wird immer, die Elfe hat jeder gern zu Hause, und in der Dose kann man hinterher noch herrenlose Dübel aufheben.

2. P wie Placement: Im Direktvertrieb aus 53340 Meckenheim, oder bei ausgewählten Outlets wie dem V-Markt. Und dort für den Jedermannsverbraucher als Einzelflasche, nicht erst palettenweise für Hochzeiten aufwärts (“Busse willkommen”). Und sie haben ihre Einzelhandelsazubine eigens zu Elektro Conrad losgeschickt, um zwei Klemmspotlights fürs Regal anzuschaffen, damit die Sektelfe auf der Verpackung schön zur Geltung kommt. Das macht etwa 10 Euro für die Spotlights plus nochmal so viel für zwei Arbeitsstunden Azubi Eizelhandel (in München wahrscheinlich eher drei, weil der Conrad im Tal gerade neben einer San Francisco Coffee Company liegt, keinem ordinären Starbucks).

3. P wie Preis: Literpreis 15,99 Euro. Gastronomen schauen auf sowas, und ich auch. Die Mitte zwischen Mitnahmeschnäppchen und wertigem Geschenkpreis, mit dem man sich weder ruinieren noch genieren muss.

4. P wie Promotion: Ja, das hätte der Neugründer gern, alles auf diesen geisteswissenschaftlich “ausgebildeten” Schöngeist von Reklamefuzzi abzuwälzen, wenn der Rubel nicht so rollen will. Weder setzt sich Qualität mirum in modum von selber durch, noch wird Werbung aus Müll Gold machen (Sie erinnern sich, wie König Midas endete), auch wenn sie es mit dem nötigen Etat eine Zeitlang behaupten kann. Aber wozu?

Stellenweise verstehe ich Neugründer trotzdem: Warum machen wir nicht einfach alle einen tollen Sekt mit einer hübschen Elfe drauf und alle sind glücklich, bis sie sektselig entschlafen? Das kriegen wir nächste Stunde unter “Marktsättigung”.

Schlumberger Präsentideen

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das obere Bild meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Es liegt sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, das schenk ich Ihnen.

40 Jahre Meinungsäußerung

Alles, was es schon gibt, wenn du auf die Welt kommst, ist normal und üblich und gehört zum selbstverständlichen Funktionieren der Welt dazu. Alles, was zwischen deinem 15. und 35. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär und kann dir vielleicht zu einer beruflichen Laufbahn verhelfen. Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge.

Douglas Adams (11. März 1952—11. Mai 2001):
Lachs im Zweifel, 2002.

Eddings seit 1970!

Achtung bei uns sind noch alle Glühlampen erhältlich. Na super

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Reiselied. Das Lied zum 1. Mai

Cover Das Wirtshaus an der LahnDie Melodie kennen Sie von Slime, die sich 1992 auf der Viva la Muerte (nur auf der LP!) redlich um zeitgemäße Saufromantik bemühen, aber ein paar Textstellen verwenden, wie wir sie bewusst meiden sollten: Mit “Unser Orden ist verdorben” ruinieren sie die Aktualität wieder, die sie mit der Instrumentierung reingebracht haben — aber zum Gewöhnen ist die Version gar nicht schlecht. Zum Übernehmen hören Sie deshalb lieber Peter Rohland zu: auf Landstreicherballaden, 1996. Schnell, unkompliziert und ästhetisch unaufgeregt ist sie dem etwas struppigen, aber höchst brauchbaren instrumentalen Video von Mr. Gammler entnommen. Bei den Akkorden kommen Sie zurecht mit C/a//C/F//C/G//C, also dem, was sich von selbst ergibt. Nicht so zaghaft.

Aus dem im Überfluss bekannten Strophenmaterial hab ich zu Lichtmess aus dem Reiselied eine Version konstruiert, die geographisch Sinn ergibt und jetzt auch zum 1. Mai taugt. Für den Vortrag vor einem Publikum mit eher peripherem ethnologischem und archäologischem Interesse, mit dem man sich weder zur Lach- noch Schnarchnummer macht, ich denke da klassischerweise an Lagerfeuer, empfehlen sich die Strophen 1 bis 5, anschließend erst wieder 21 bis 24; neun Strophen reichen vollauf. Lassen Sie im Zweifelsfall lieber noch 21 und 24 weg und stiften Sie die Leute im Refrain zum Mitgrölen an, dann kann sich keiner beschweren. Das gibt einen aufmüpfigen, schön antiquierten Text auf eine unentrinnbar schmissige Melodie, mit dem man bei den Mädels punkten kann. Bei den richtigen jedenfalls. Das war ein Tipp, Jungs.

Verlinkt sind Stätten der Einkehr, die wir freiwillig aufsuchen würden. Manche wurden am lebendigen Leib getestet. Prost.

 

Reiselied

1.: Lustig, lustig, ihr lieben Brüder,
nun leget all eure Arbeit nieder
und trinkt ein Glas Champagnerwein.

Refrain: Denn unser Handwerk, das ist verdorben,
die besten Saufbrüder sind gestorben,
||: es lebet keiner mehr als ich und du. :||

2.: Auf die Gesundheit aller Brüder,
die da noch reisen auf und nieder,
die sollen unsre Freunde sein.

3.: Und sollte wirklich noch einer leben,
so soll der Meister ihm den Abschied geben,
denn er macht ihm das Leben sauer.

4.: Weg mit dem Meister, mit all den Pfaffen,
ja Kaiser, König soll sich raffen:
Weg, wer da kommandieren will.

5.: Als wir durch deutsche Lande zogen,
haben wir so manchen Wirt betrogen,
doch seine Tochter war uns gut genug.

6.: In Lübeck hab ich es angefangen,
nach Hamburg stand dann mein Verlangen,
das schöne Bremen hab ich längst gesehn.

7.: Wie auch Celle, Hannover, Minden,
dann wolln wir auf dem Rhein verschwinden
wohl nach dem alten heil’gen Köln.

8.: Wir wollen auch noch Bonn besuchen,
in Bingen gibt’s zum Wein auch Kuchen,
bei Mainz, da fließt der Main in’ Rhein.

9.: Frankfurt am Maine hab ich gesehen
der Herbergstochter mußte ich gestehen:
Der letzte Heller will versoffen sein.

10.: In Mannheim wolln wir unser Glück probieren,
nach Karlsruh soll uns der Weg dann führen,
so kommen wir ins Elsaß rein:
In Straßburg gibt es guten Wein.

11.: In Freiburg geht’s nicht lang logieren,
wir wollen in die Schweiz marschieren,
nach Basel, Zürich und bis Bern.

12.: Nach Thüringen möcht ich hinein,
in Jena, Erfurt, Weimar sein
und auf der Wartburg kehren ein.

13.: In Königsbrück hat mir’s gefallen
die vielen Töpfer hier vor allem,
die Scheiben drehn sie, drehn und drehn.

14.: Was warn die Töpfer für Gesellen,
hörten sie nachts die Hunde bellen
so fraßen sie die einfach auf.

15.: Wie auch in Leipzig, Dresden, Sachsen,
wo all die schönen Mädchen wachsen
wohl in dem schönen Rosenthal.

16.: Dann wollen wir uns aufs Schifflein setzen
und unser junges Herz ergetzen,
wir fahrn die Elbe hinab zur See.

17.: Nun Schifflein, Schifflein, du musst dich wenden
und dich hin nach Riga lenken
wohl zu der russischen Seehandelsstadt.

18.: Und auch in Polen ist nichts zu holen,
als ein Paar Stiefel ohne Sohlen,
ja nicht einmal ein Heller Geld.
[alt.: von dort kommt man nicht ungeschoren,
in Danzig fängt die See schon an.]

19.: Nun wollen wir es noch einmal wagen
und wollen fahren nach Kopenhagen
dort zu der dänischen Residenz.

20.: In Bergen regnet es große Tropfen,
getrunken wird hier aus Malz und Hopfen,
korngelb gebrautes nordisch Bier.

21.: Und wer dies alles hat gesehen
der kann getrost nach Hause gehen,
und nehmen sich ein Mägdelein.

22.: Ich hatte manchen blanken Gulden,
heut hab ich jede Menge Schulden,
doch einen Humpen für der Seele Ruh.

23.: Schlagt ein die Fässer, lasst es laufen,
wir wollen heut noch einen saufen,
ja solches Himmelreich ist nah.

24.: Darauf wollen wir lustig saufen,
schöne Mädchen wollen wir uns kaufen,
ja das soll unser Handwerk sein.

Bild: LPCD Hamburg.

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