Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Im Bauch des Automaten

Bei Penny (das ist das, was es in München statt Norma gibt) ziehen sie seit ein paar Wochen ein Programm zur Volksgesundheit durch: Sie haben einen Zigarettenautomaten aufgestellt.

Keinen solchen, wo man seinen Ausweis, seinen Europa-Führerschein, seine Krankenkassenkarte und dann auch noch Geld reinstecken und ein Passwort flüstern muss, das nur wehrfähige EU-Angehörige mit einwandfreiem Leumund kennen, sondern einen, wo man per Knopfdruck seine bevorzugte Marke wählt, unten rausholt und mit aufs Kassenlaufband legt.

Bisher hab ich immer die Smart 30 gekauft, das sind die einzigen mir bekannten mit 30 Fluppen pro Schachtel. Wenn ich welche mit 60 Stück finde, nehm ich die. Kein übertrieben erlesenes Kräutlein, aber sie qualmen und stinken, und was erwartet man mehr von Zigaretten. Meistens nehm ich zwei Schachteln, damit bin ich die ganze Woche versorgt, außer Vroni hat ihre Raucherphase. Von Smart 30, stelle ich mir gerne vor, wird man so smart wie ein Dreißgjähriger.

Offenbar wurde es unrentabel für Penny, die Zigaretten in der Quengelzone zur Eigenentnahme des Kunden freizugeben, weil es immer ein paar Grattler gibt, die sich bedienen und eine anschließende Bezahlung entbehrlich finden, weil man ja so als charakterschwacher Zigarettenvorratshalter doch immer eine frische Packung einstecken hat.

Wiederholt wurden die Kassiererinnen bei Penny deshalb angehalten, die Zigaretten im Fußraum ihres Kassensitzes zu horten. Das war sehr kommunikativ, weil immer für Gesprächsstoff über den Unterschied zwischen Smart, Smart 100, Miami 100, Marlboro 100, normalen Marlboro, Smart 30 und Zigaretten gesorgt war. Penny stellt offenbar für die Kasse nur Nichtraucherinnen ein.

Vor wenigen Wochen war deshalb auch nicht länger rentabel, sie in kostspielige Fortbildungen für Produktkunde zu schicken, nur weil die letzten paar Junkies, die da einkaufen, nicht vom Stoff loskommen. Eines Tages stand der Zigarettenautomat da, wo gestern noch Zigaretten erhältlich waren; nur Feuerzeuge sind anscheinend nicht so der, nun ja: Mitnahmeartikel.

Cool, denke ich, so viele Knöpfe. Und fünf davon mit meinen Smart 30. Und in der Mitte ein grünes Licht, dass ich wählen soll. Einen von fünf Knöpfen für Smart 30 (30 Stück, Schachtel 5,70 Euro) drücken:

“Biiiiiiiep!”

Haha, lustig. Es rumpelt und poltert im Bauch des Automaten. Und sogleich geht das Licht darunter an, diesmal ein weißes, dass die Marke nicht erhältlich sei. Zehn Sekunden lang, damit ich bequem zu Ende lesen kann. Und danach das gelbe Licht: Ich soll die Kassiererin fragen. Zehn Sekunden lang.

Na, wenn sie den Automaten haben, wird die Kassiererin mir was husten, wenn ich nicht alle Knöpfe durchprobiere, denke ich. Und warte die nächsten zehn Sekunden lang, in denen überhaupt kein Licht leuchtet. Und dann wieder das grüne. Dass ich wählen soll. Ich wähle den zweiten Knopf, auf dem Smart 30 (30 Stück, Schachtel 5,70 Euro) steht.

“Biiiiiiiep!”

Es rumpelt und poltert im Bauch des Automaten. Und sogleich… aber Sie sind ja aufmerksame Leser.

Fünf mal vierzig Sekunden, das kann ich kaum im Kopf in Minuten umrechnen, ich hab nur Lesen und Schreiben studiert und die Steuer macht immer meine Frau, außerdem geht Rauchen auf die Intelligenz. Aber dass hinter mir auch noch Leute an die Kasse wollen, kann ich mitvollziehen. Schon erheben sich die ersten Stimmen:

“Ja Herrschaftzeitn, valleicht geht do boid wos weider do vorn?!”

Ist ja gut, ich hab ja noch fast eine halbe Schachtel. Demütig bezahle ich mein frisches Gemüse, gesunde Fruchtsäfte und glückliche Eier von freilaufenden Bauern.

Am nächsten Tag freue ich mich auf einen aufgefüllten Zigarettenautomaten und richtig frischen Knaster.

“Biiiiiiiep!”

Fünfmal.

Hinter mir:

“Ja Herrschaftzeitn, valleicht geht do boid wos weider do vorn?!”

“Dass diese unbeherrschten Raucher auch immer und überall unangenehm auffallen müssen!”

Ein Kiffertyp mit zwei Kartons Rotweinimitat im Wagen fragt: “Könnse nich ne zweite Kasse aufmachen? Hier geht ja seit Stunden gaa nix mehr voran bei Ihn’, mit dem Ar… mit dem Herrn da.”

Am rechten Ohr trifft mich eine biologisch angebaute Aprikose (Spanien, Kilogramm 2,49 Euro).

Raucher sind friedfertige und tolerante Menschen, Nichtraucher gesunde und selbstbewusste. Wahrscheinlich, weil sie moralisch immer automatisch im Recht sind. “Automatisch”, hahaha… Demütig bezahle ich irgendwelchen Bioschlonz, weil ich erst gestern einkaufen und nur wegen Zigaretten hier war.

Zu Hause freut sich Vroni, dass ich neuerdings so viele Bioprodukte einkaufe. Soll sie ruhig. Das einzige, was bei Penny nicht bio ist, wären die Zigaretten.

Am nächsten Tag brauchen wir… hm, Biokatzenstreu vielleicht. Ich gehe Zigaretten holen.

“Biiiiiiiep!”

Fünfmal. Jetzt reicht’s. Ich frage, wie vom Automaten empfohlen, die Kassiererin: “Habt ihr vielleicht auch Smart 30?”

“Ziggreddn, moanen S’? O mei… Sie san heit scho der Zehnte.”

Sie bückt sich und kramt unter der Kasse einen Schlüssel hervor. Verschließt und sichert die Kasse. Steht mühsam auf. Quält sich aus ihrem Kassenställchen. Schaukelt arthritisch zur anderen Kasse hinüber, wo der Automat triumphierend vor sich hin feixt. Bückt sich unter Ächzen über das Laufband, um dem Automaten tief unten ihren Schlüssel in den Bauch zu bohren. Er passt nicht.

“Herr Scho-Schack??!?”

In der Bürotür neben den Kassen erscheint ein übellauniger Neger. Er füllt die Tür ganz aus.

“Ham mir no… Wos ham Sie gsagt?!”

“Smart 30 bitte.”

“Ham mir no de Ziggreddnbaggl do, de großn ?”

“Im Lager mir nix. Automat.” Herr Jean-Jacques, die beeindruckende Führungskraft mit schwarzafrikanischem Migrationshintergrund, vermutlich von der stolzen Elfenbeinküste, deutet mit Nachdruck auf den Automaten, funkelt mich feindselig an, merkt sich mein Gesicht und zwängt sich in sein Büro zurück. Glück gehabt.

“Ja mei”, sagt die Kassiererin, “wenn do nix drin is…”

“Wenn do nix drin is”, lasse ich mich hinreißen, “wenn halt nix drin is in eierm saudummverrecktn Scheißdrecksblechhaufm überanand, vielleicht füllt ihr den zwischndurch amal auf?! Is ja wie vor zwanzg Jahr in der Zone! Des macht doch Ihna aa kan Spaß, wenn S’ dauernd aus Ihrm Häusl rauswalzn müssn und nachschaun, ob wirklich immer no nix drin is!”

Recht so. IHK-Wochenendkurs Kommunikationstraining: Nicht nur destruktiv rumpöbeln, sondern den Gesprächsgegner immer mit ins Boot holen.

“Ham S’ doch ghert, dass nix am Lager is.”

Sie quält sich zurück in ihren Stall, öffnet die Kasse und kassiert mein Dreierpack Feuerzeuge ab.

Hinter mir kocht der Volkszorn. Kaum habe ich Zeit, meine Feuerzeuge zu verstauen, da werde ich von einem lynchbereiten Mob unter Anti-Raucher-Parolen mit Bio-Tiefkühlspinat (400 Gramm, einschließlich Blupp) aus dem Laden gesteinigt.

Am nächsten Tag fahre ich zu einem Plus in Schwabing. Da haben sie welche mit immerhin 24 Stück pro Schachtel. Power heißen die. Kann man immer brauchen.

So ein Marketingaufwand, nur um dem Verbraucher zu vermitteln, dass Zigaretten bald teurer werden.

Soundtrack: Ruth Händel: Das ist bestimmt meine letzte Zigarette, 1975:

2 Kommentare

  1. foxi

    Hm, in “meinem” Supermarkt leuchtet das nur auf, wenn der Automat nicht freigeschaltet ist. Dann dürfte aber “Bitte wählen” (oder so) nicht leuchten.

  2. Wolf

    Dürfte eigentlich nicht, genau… Muss mir auch schon mal kurz durchs Hirn geblitzt sein.

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