Warum der Saft aus der Verpackung spritzt, hat selbst die Maus jahrzehntelang verschwiegen.

Ich erinnere mich an einen Vertreter der Milchtütenindustrie in der Zeit, als man die Dinger noch in einen zusätzlich anzuschaffenden Plastikbehälter stellen musste, um ihnen dann mit der Schere zu Leibe zu rücken. Das, liebe Kinder und mündige Verbraucher, wäre heute mit euch nicht mehr zu machen. Das Problem der Inkontinenz von Milchtüten bestand schon damals. Und diesem Experten haben sie dann live im Schwarzweißfernsehen eine Milchtüte, so einen Ständer und eine Schere in die Hand gedrückt, er solle doch mal vormachen, wie das geht mit dem Milchöffnen, verlustfrei, sauber und familienfreundlich. Der Mann hat den Studiotisch, seine Krawatte und die des Moderators eingesaut. Warum veryoutubt das niemand? Als “Vintage Cumshot Kitchen Table” oder so?

Heute, wo der Spiegel seine Schwerpunkte endlich von langweiliger Politik aufs Wesentliche umgelenkt hat (Naziromantik, Oktoberfest), erfahren wir endlich: Der Verbraucher — das sind Sie — wünscht immer die jeweils teuerste Verschlussart für seine Saft- und Milchkartons. Kurzzeitig waren das die Alulaschen, der Trend geht zu Schraubverschlüssen.

Das eruieren die lästigen Marketingexperten, die Menschen aus der Fußgängerzone gabeln und sie mit einer Tafel Milka Vollmilch in ihre Befragungsräume locken. Klar, dass sie da immer nur Low Potentials zwischen zwei Anstellungen mit ausreichend Tagesfreizeit erwischen — oder hätten Sie “fünf” Minuten Zeit, die eine Dreiviertelstunde dauern und Ihnen eine gut abgelagerte Tafel Schokolade einträgt? Bei Ihrem Stundensatz? “Ja”, erklären die Hartz-IV-Opfer da oben dann gelangweilt, “so’n sauberer Verschluss an der Milchtüte, der wär schon ganz praktisch, wa. Was, das gibt’s heute auch mit Schraubverschluss? Jaja, immer dran mit dem Zeug.” Dann haben sie sich als kritischer Milchtütenkunde gezeigt und denen da oben mal wieder so richtig die Meinung gegeigt, wa.

“Was, das kostet, so’n Schraubverschluss? Nee, dann will ich keinen.” Wenn das genug kritische Kunden so sagen, wird eben der Schraubverschluss genommen, der am wenigsten kostet: “Leider sind die meisten Verbraucher nicht bereit, wegen des Verschlusses einen höheren Preis zu bezahlen. Daher gilt es, die Balance zwischen Preis und Funktionalität zu finden”, formuliert es Karton-Verbandssprecher (“ein guter Job, wenn man ihn kriegen kann”…) Michael Kleene. Und Norbert Sauermann, der Chefredakteur des Fachmagazins Verpackungs-Rundschau: “Das ist das Dilemma moderner Verpackungstechnik — es gibt für alles eine Lösung, nur muss sie bezahlbar sein. Die Hard-Discounter sind auch deswegen so erfolgreich, weil sie mit ihrer Nachfragemacht eben nicht die beste Verschlussmöglichkeit bezahlen wollen.”

Geiz, lernen wir daraus, kleckert und spritzt. Herrschaften, muss der geil sein.

Soundtrack: Captain Beefheart: Autumn’s Child aus: Safe as Milk, 1967.