Na endlich, ich bin mir schon ganz benachteiligt vorgekommen. Der Gsella darf das nämlich. Aber nur ein paarmal.
Monat: November 2006
Soll man sich jetzt darüber freuen oder davor fürchten, dass die Auswirkungen einer monatelang vergessenen Reihe fruchtloser Fußballspiele nicht ewig vorhalten? Endlich darf man sich wieder schämen, dass man noch eine andere Sprache als Deutsch kann. Oder nicht kann. Oder richtiges Deutsch. Oder falsches Denglisch. Oder was weiß denn ein fränkischer Bauernschädel mit den paar Semestern Germanistik und Anglistik. Me stand the hairs to the mountain. Ich geh eine Runde bolzen.
IKEA lehnt Hilfe bei Bau von iranischem Reaktor ab.
Schade eigentlich. Bei der IAEA schieben sich am Samstag nicht so viele Studentenpaare durch, um sich am Sonntag über fehlende Schrauben an der Atombombe zu zerstreiten, und bei denen sind bestimmt die Köttbullar größer.
aber kommen Sie nicht mit Ausreden des Kalibers "Ich hab doch keinen Fernseh". Zeit läuft.
In jenen alten Zeiten des so genannten Web 2.0 hatten die Avatare nichts anderes zu tun als sich untereinander zu vernetzen. Drahtlos entleerten sich ihre PayPal-Konten gleichmäßig auf LinkedIn, OpenBC, SocialBC, Lokalisten und World of Warcraft, den Nachweis ihrer Existenz erbrachten sie über ihren Informationsstand, welche Säue jeweils durch Dörfer mit Namen wie Flickr oder Youtube getrieben wurden, Bildung bezogen sie in Yahoo Clever. Über del.icio.us stellten sie ihre Festplatten ins Internet, um in Stayfriends leichter ihre Schulkameradinnen wiederzufinden, die schon vor zwanzig Jahren nichts von ihnen gewollt hatten. Nächtens skypeten sie einander an, aber nur solange ein Daten-"Tausch" auf Limewire lief. Ihre Weblogs auf Myspace zeugten hilflos mit den historischen Mitteln des Chats von ihrer Befindlichkeit darüber. Wie viele Meetings eine Community, die es nicht gab, in Secondlife abhielt, bestimmte die Kurse von Aktien, die es auch nicht gab.
Nachdem irgendeiner dieser Avatare mit der Implementierung seines eigenen Updates namens Web 3D gescheitert war, beschleunigte sich die überfällige Rückbesinnung auf die alten Werte: körperliche Ertüchtigung in zweckmäßiger Kleidung.
Kylie Minogue, bekannt als Grüne Fee aus Moulin Rouge, machte die, nun ja: Vorreiterin.
So weit ist es gekommen. In Amerika äußern sich schon die Cowgirls kulturkritisch über den Konsum von weichen, einstweilen noch legalen Drogen. Bei solchen Sachen frag ich mich immer, wer gerechterweise an wen Summen Geldes entrichen sollte: die Band an das marktwirtschaftliche Unternehmen fürs Nutzungsrecht – oder umgekehrt fürs Product Placement.
(Das ist von Freakwater, deren sechste CD Feels Like the Third Time von the missing link, Ihrer Lieblingsagentur für kompetente Beschallung einer gedeihlichen Arbeitsatmosphäre, warm empfohlen wird; Weihnachten kommt ja immer so plötzlich. Da ist nämlich eine Würdigung von Amelia Earhart für Lagerfeuerklampfe, Fiedel und zwei Mädchenstimmen drauf. Wer bei dieser Melodei keine nassen Augen kriegt, hat ein Kunstharzherz.)
Sagen wir’s einfach wie der Spiegel (der es größtenteils sagt wie der Deutschlandfunk Anfang Oktober): "Praxisversuch per Diplomarbeit: Nelly Brunkow und Evamaria Judkins entwickelten jeden Tag eine Idee, 40 Tage lang für insgesamt 40 Weltverbesserer."
Lieblingssatz: "Wir haben jetzt einfach acht Wochen lang wirklich gearbeitet."
Willkommen außerhalb der Uni.
the missing link, Ihr Gadget-Blog für die Wegweiser der Retropostmoderne, verschenkt auch dieses Weihnachten wieder keine CDs im Vinyl-Look wie die von kdg Mediatech. Sondern die Franks Wild Years (vielleicht), mit der Tom Waits schon 1986 klar machte, wie gut man selbst auf Englisch ohne Apostrophe auskommt – und vor allem, dass man seine CDs mit einem Bonus Track nicht (un-)notwendigerweise noch länger machen muss, wenn man ihn einfach übers letzte Lied drüberlegt. Das Rauschen auf LPs vermisst man inzwischen halt doch.
Haben Sie schon mal ein weißes Rauschen gesehen? Eben. Und ein vinylschwarzes sieht man dann erst recht nicht. CDs should be heard, not seen.
Haben wir’s nicht immer geahnt: Ein neoliberaler Hundling ist er, der Kunde. Sagt wer? Führende Kundenkundler.
Wetten, in München, der Welthauptstadt des Kundenservice mit Herz, ist es in den bevorzugten Gaststätten der Avantgarde längst statthaft, auf "Schau, dass’d mer dei Maß gscheit vollgschenkt kriagst, du ganz hinterkünftiger Haderlump, du ganz hinterkünftiger!" zu antworten: "Do wanns’d di net schleichst, du neoliberaler Saubeitel, du neoliberaler!"
Manchmal hat es etwas Beruhigendes, nicht mehr in Lokalen verkehren zu müssen, die von zwanzigjährigen Kundenverächtern für eine 14- bis 29-jährige Manövriermasse eröffnet wurden, sondern still zu Hause seiner verschrobenen Vorstellung von CRM anzuhängen.
Wer nicht lächeln kann, sollte keinen Konkurs anmelden, wie die Chinesen sagen. Und die sind… Nun ja, sie sind viele.
Helden des Alltags: Seit Coca-Cola 1931 den Weihnachtsmann erfand, hat der Einzelhandel zumindest der westlichen Welt auch im vierten Quartal was zu beißen.
Nun schenkt ja niemand adressatenorientiert, was die traditionelle nachweihnachtliche Serverüberlastung bei Ebay erklärt. Zu deutsch: Sie werden auch heuer nicht das kriegen, was Ihnen am meisten fehlt oder worauf Sie bei anderen schon immer neidisch waren, sondern das, womit sich der Schenkende am besten profiliert. Das darf man ruhig so glauben; werden doch Psychologen auch nur von marktwirtschaftlichen Unternehmen bezahlt und haben eine Familie zu beschenken.
Coca Colas Geschenk an die westliche Welt zum Beispiel ist die lizenzfreie Benutzung von Knecht Ruprecht.
Ex-Weltbank-Chefökonom: Klimawandel kostet möglicherweise 5,48 Billionen Euro
Unser kleine Agentur am Rande der großen Stadt (aber 5 Min. an herrliche Isargestade) läuft komplett naturschonend. Und das schon, seit es uns gibt. Wir erstellen Ihre Aufträge = betreiben unsere Rechner mit Ökostrom, quasi mit Wasserkraft. Das soll uns mal einer nachmachen.
Wärmen tun wir unsere kalten Füße und coolen Häupter mit emissionsarmem Erdgas. Der wilde Beifuß für die Ente wird handgefangen, auch unsere Betriebskatze reißt statt ödes Industriefutter zu fressen noch echte Biomäuse von den Restaurants und Kneipen der Umgebung (Bandidos, Ehrengut, Makassar u. a.). Schön fett und kross geworden mit Filetspitzen in Kaktussoße, Spaghetti alle vongole, Sahne-Forelle an Champagnerkraut. Wenn die Mäuse mal ausgehen, kriegt sie Whiskas Maus. Ähm, stimmt nicht ganz, dieses Produkt gibt es noch gar nicht. Sie bekommt ein hochwertiges Ökomiezenfutter.
Wir rangieren auch nicht stundenlang mit einer zu groß geratene Karre in die wenigen Parklücken hinein, sondern benutzen das MVV-Abo, die Füße und das gute Fahrrad. Sogar im Winter. Eben das Radl in der Radl-Klinik ums Ecks winterfit gemacht, die Lichtanlage muckte.
Zum Kunden, der weiter weg ist, geht es mit der Bahn und dem ICE. Wir steigen ausgeruht aus, haben uns in aller Ruhe lesend noch mal vorbereiten können und tauchen entspannt auf. Wir sind bekloppte Ökofreaks, tüddelig in Sack und Asche? Mit Bauernkatze und Kräutern und Baumumarmen und so? Ne. Pickelharte Avantgarde, die weiß was Sache ist. Mit Kostüm, Anzug und Krawatte und sehen gut dabei aus.
Die Agentur Ihres Vertrauens, spezialisiert auf technologische und biologische Nachhaltigkeitsthemen mit Kunden aus der Biotech-, Tagungs- und Wellnessbranche.
Wohnt das glück in einem Mercedes
oder in einer Villa in Grünwald?
Ringsgwandl, 1986
Von Typen wie mir schrecken die Markt- und Trendforscher nachts um halb drei aus dem Schlaf. Statistisch bin ich so einer, der mit dem Porsche bei Aldi vorfährt, der sich aber den Porsche gespart hat. Meine Kaufentscheidungen fallen weder zugunsten eines fadenscheinigen Zweitnutzens noch eines hedonistischen Hipness-Faktors, sondern anhand des Kilogrammpreises.
Statt an Kinokassen um den Studentennachlass zu winseln, warte ich, bis meine zuständige Stadtbücherei den Film umsonst auf DVD hat. Es gibt CDs, auf deren Erschwinglichkeit ich seit zwanzig Jahren warte, Bücher sind schneller abschussbereit. Ein Auto hatte ich nie, weil ich immer in Städten gewohnt habe, in denen öffentlicher Nahverkehr stattfindet, und selbst für das Taxigeld kann man lange Rad fahren. Die Bahncard war mir immer zu teuer, geizkragen.de war mir schon 1997 zu überlaufen.
Ich bin der Hemmschuh der Konjunktur, das Torpedo des Aufschwungs. Ich bin sogar der einzige, der seiner Frau zum Hochzeitstag eine Klobürste schenkt. (Mein Gott, es heißt schließlich "Designer-Klobürste"…)
So einem dürfen Sie also getrost glauben, wenn er Ihnen sagt: Aufträge erteilen Sie am besten noch 2006. Die dürfen dann nämlich noch mit der alten Mehrwertsteuer abgerechnet werden. Dürfen, sagte ich. Die Texte reichen noch für alle.
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