Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: April 2006

Was haben die nur geraucht?

3 von 3 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

"Stupendous masterpieces!!!! Phantasus, wow!!! Ludwig Tieck is a genius of highest order – this stuff is supreme German gothic dark romantic. Mind-boggling & spirit-crushing hardcore stories that delve darkly into the unconscious; paranoia, retribution, the mind-destroying power of nature, dreams, insanity… Insane depth hidden in the form of "fairy-tales" (what a stupid English word)!!!

Highly unique!! Exquisite! Gorgeous dark words of magic and vision!!! Pure genius!!! A hundred million stars.

Unfortunately I don’t speak German; Tieck’s works are so hard to find in English – I had to search through obscure translations of out-of-print books in libraries to find some of his tales. What atrocity, what shame, what crime!!!! English-speaking Germans, translate all Tieck’s works to English (and all other languages), his tales are world heritage!!!

See also Heinrich von Kleist & E.T.A. Hoffmann.

Wow… I wonder what happened in Germany at that time?? I mean, such splendid dazzling brilliance!!!! What were these guys smoking??? How could they write such lucid & vivid narrative prose, and with such merciless & brutal intensity, reminiscent of LSD-induced revelations??? Wow!!"

Genau das muss in einer Amazon-Bewertung stehen: Aufrichtige Begeisterung für die wirklich wichtigen Bücher, und zwar genau in der Prosa, in der sie sich dem Rezensenten darstellt. Die Rechtschreibung wurde behutsam heutigen Gepflogenheiten angepasst, to delve into heißt sich eingehend befassen mit.

Der Mann hat schon Recht: Selbst auf Deutsch ist eine anständige historisch-kritische Gesamtausgabe von Ludwig Tieck praktisch nicht vorhanden, bei Stoffen wie Der goldene Topf von E.T.A. Hoffmann drängt es einen unfehlbar zu fragen, wo die Jungs ihren Tabak eingekauft haben, und ominöse Übersetzungen vergriffener Bücher soll man sich beschaffen, wo man sie nur kriegen kann.

Christian Kracht brüstet sich irgendwo, aus Langeweile Amazon-Rezensionen für Bücher geschrieben zu haben, die er noch nie gesehen hat. Kein Wunder, dass die Pop-Literatur schneller als die deutsche Romantik durchgefrühstückt war.

Vom Schreiben leben

Daniel Defoe hat damit angefangen, sogar der Robinson Crusoe war irgendwie nonfiktional gemeint, was aber erst bei den Lebensläufen gefallener Mädchen deutlich wurde.

Poe war der nächste und hat über dem Versuch, von dem, was er schreibt, zu leben, die meisten literarischen Gattungen erfunden. Sag noch einer, die Amis hätten keine Kultur.

Jörg Fauser hatte den Ehrgeiz, Journalismus wie Literatur und Literatur wie Journalismus aufzuziehen. Eine Auffassung, die sich durchsetzt, über der aber weiterhin die meisten verhungern.

Nun passieren ja nicht andauernd Katastrophen vom Kaliber der Pest von 1665; mit den kleinen ist man ausgelastet genug. Wenn man anno 2000 schon das Glück haben wollte, für eine Verfilmung von solchen Produktionskosten für den Oscar nominiert zu werden, musste man tatsächlich Kenneth Branagh als Sprecher anheuern. Hätten wir damals vielleicht auch tun sollen.

Heute beeindrucken wir kleine Mädchen, die unsere unendliche Geschichte vom Grabbeltisch bei Saturn anschleppen, mit den Tricks & Cheats, die wir selber eingebaut haben. Fiction und Non-Fiction sind leicht vereinigen, wenn man dann doch als Opfer der New Economy endet. Defoe und die anderen sind nicht genug zu loben – aber erklär das mal einer denen, die nie in einem Blog vorkommen werden.

(The Periwig-Maker nach A Journal of the Plague Year 1665 von Daniel Defoe dauert eine satte Viertelstunde, kommt aber einschließlich wechselndem Vorfilm einem vollwertigen Kinobesuch gleich. Und mal ehrlich: Als er 2000 im Kino war, haben Sie ihn doch selber nicht gesehen.)

Vom Fachmann für Kenner

„Eine Zeitlang habe ich mal für die Werbung gearbeitet, sehr lange aber nicht. Meine Agentur sollte eine neue Imagekampagne für das Kleinstädtchen Seesen am Westoberharzrand kreieren. Ich war der Texter, und ich war gut. Die Agentur und der Auftraggeber (Seesen) sahen das anders. Alle meine Seesen-Slogan-Vorschläge wurden abschlägig beschieden. Sowohl „We had joy, we had fun, we had Seesen in the sun“ als auch „Thesen – Antithesen: Seesen!” und sogar „Am deutschen Seesen soll die Welt genesen!” fanden keine Mehrheiten. Ein vierter, „Außer Seesen nichts gewesen“, fiel mir auch noch ein, aber zu spät.“

Der Kollege Thomas Schaefer berichtet es unter der Überschrift „Aus meinem Berufsleben“ in der 2006er März-„Titanic“. Dass er sich für derlei Zielgruppenorientierung was schämen sollte – seinem Tonfall nach zu urteilen: weiß er ja. (Verlinkungen vom Blogger. — Update: Verlinkungen wieder entfernt, weil inzwischen tot. 14. August 2019.)

Intercultural Madness


Kein Überleben ohne Networking. Meine Vorfahren waren vom Bauernhof, da musste man die Leute noch selber zeugen, wenn man welche kennen lernen wollte. Heute soll man nicht im eigenen, sondern im globalen Saft schmoren. Dazu braucht es interkulturelle Kompetenz, nicht dass man sich in Äthiopien die Finger abschleckt, nachdem man mit ihnen gegessen hat, und dann noch fragt, ob sie schon am Besteck arbeiten, nachdem sie’s zu für den menschlichen Verzehr geeigneten Zerealien gebracht haben.

Jemand, der sich damit auskennt, hat mir gesagt, am schwierigsten wird es mit den Chinesen, die von uns aus gesehen ziemlich strange drauf sind. Versteh einer ein Volk, das die Welt als essbar begreift.

Um nicht mitten in den Verhandlungen über Chinas Abdeckung mit S-Klasse-Fahrzeugen in der Dichte von Fahrrädern unversehens zu fragen, ob sie das mit dem Besteck auch noch lernen wollen, bietet die Uni Würzburg einen Bachelorstudiengang Modern China und Bochum einen in Wirtschaft und Politik Ostasiens. In Zwickau kann der aufstrebende Weltbürger sein Diplom in Wirtschaftssinologie machen und in Bielefeld gar China-Manager (FH) werden.

Beeindruckend für einen, der nur Magister hat und immer dachte, das FH stünde für From Hell: So ein Aufwand, nur um das zu verstehen!

Samstag Nachmittag ab 14.30 Uhr bis Montag Morgen 10.00 Uhr gehört Papa uns

Im Kino gewesen. Geweint.
Franz Kafka, 1913

Gestrigen guten Vorsatz beherzigt, vorm Schreiben gelebt: Mit der zickenden Lomo beim Fachmann Sauter vorgesprochen, freundlich weiterverwiesen worden an One-Man-Show von Reparateur, vielleicht weil sie sowieso bald schließen oder Angst vor der kommunistischen Provenienz des Reparandums haben: „Störn’S Ihnen aber net am Äußeren von dem Laden, der Mann kann repariern! Des is so wie bei alle Genies!“ Das Genie schließt gerade.

Weiter nach Schwabing, die ultimative Ausgabe Werther erbeuten. Das ultimative Antiquariat schließt gerade.

Inferiore Antiquariate beschlichen. Zum Normalpreis kann ich den Werther auch online bestellen, da krieg ich wenigstens Prozente, ich Schlaubi. Schließen sowieso gerade alle.

Gefühlt wie die gute Fee, die durch Schwabing schwebt und mit ihrem Funken sprühenden Zauberstab die Buchhandlungen berührt, woraufhin sie in den anderthalbtägigen Wochenendschlaf fallen. Sozial- und einzelhandelskritisches Reimepos erwogen.

Beschluss gefasst: Blogeinträge verlauten weiterhin aus dem Elfenbeinturm.

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